# taz.de -- Großrazzia in der Fleischbranche: „Kriminelle Machenschaften“
       
       > Die Polizei ermittelt gegen Zeitarbeitsfirmen. Sie sollen
       > Schlachthofarbeiter aus der Ukraine mit gefälschten Dokumenten nach
       > Deutschland geholt haben.
       
 (IMG) Bild: Ein Verdächtiger muss bei der Bundespolizei seine Fingerabdrücke „abgeben“
       
       BERLIN taz | Mehr als 800 Polizisten haben in fünf Bundesländern eine
       Razzia wegen mutmaßlicher Einschleusung osteuropäischer Arbeiter für die
       Fleischbranche vorgenommen. Die Beamten durchsuchten am Mittwoch über 70
       Wohn- und Geschäftsräume, wie ein Sprecher der Bundespolizei der taz sagte.
       Die Ermittlungen richten sich demnach gegen Zeitarbeitsfirmen sowie 10
       Hauptverdächtige aus Deutschland, Polen und der Ukraine. Sie sollen
       Leiharbeiter aus der Ukraine, Belarus, Georgien und dem Kosovo mit
       gefälschten Dokumenten an Fleischunternehmen in Deutschland vermittelt
       haben.
       
       In Schlachthäusern arbeiten hierzulande [1][vor allem Osteuropäer – oft
       unter miserablen Bedingungen.] Viele erhalten Gewerkschaftern zufolge
       weniger als den gesetzlichen Mindestlohn, wegen mangelnder
       Sicherheitsvorkehrungen gebe es überdurchschnittlich viele Unfälle. Mehrere
       der größten Ausbrüche des Coronavirus fanden in Schlachthöfen statt. Da die
       Beschäftigten meist kein Deutsch können, sind sie kaum in der Lage, sich
       gegen Ausbeutung zu wehren. Besonders schutzlos sind Ausländer mit
       gefälschten Papieren.
       
       Die Verdächtigen im aktuellen Fall sollen in den vergangenen sechs Monaten
       mindestens 82 Menschen nach Deutschland eingeschleust haben. Bei der Razzia
       entdeckten die Beamten nach eigenen Angaben mehr als 30 Ausländer, die
       offenbar illegal beschäftigt wurden.
       
       Der Schwerpunkt der Razzia lag in Sachsen-Anhalt, wo in Weißenfels 49 und
       in Bernburg 3 Unterkünfte durchsucht wurden. Weiterhin wurden die
       Polizisten in je 3 Wohn- und Geschäftsobjekten in Garbsen und Papenburg in
       Niedersachsen sowie in je einem Objekt in Twist, Bonn, Bassum, Chemnitz und
       Berlin vorstellig.
       
       In Weißenfels betreibt auch [2][Deutschlands größter Fleischkonzern,
       Tönnies,] einen Schlachthof. „Wir haben keine Informationen, ob und wenn
       ja, in welchem Maße Dienstleistungsunternehmen, mit denen wir zusammen
       arbeiten, von den Durchsuchungen betroffen sind“, schrieb das Unternehmen
       der taz.
       
       Hintergrund der Razzia ist den Ermittlern zufolge, dass die Bundespolizei
       bei Kontrollen an Grenzübergängen und Bahnhöfen über die Zeit hinweg eine
       große Zahl von Reisenden mit falschen Dokumenten angehalten hatte.
       Daraufhin sei eine Sonderkommission zur Ermittlung über die Einschleusung
       von Leiharbeitern eingerichtet worden.
       
       Angesichts der Großrazzia rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die
       Bundesregierung auf, [3][das Gesetz für mehr Arbeitsschutz in der
       Fleischbranche] „schnell und ohne Abstriche“ durchzusetzen. „Leiharbeit
       muss wie Werkverträge jetzt verboten werden“, erklärte
       DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Grünen-Sprecherin für
       Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke, bezeichnete die Razzien gegen die
       „kriminellen Machenschaften der Fleischindustrie“ als „überfällig“. Sie
       rief die Bundesregierung zu raschem Handeln auf.
       
       Die große Koalition hatte als Reaktion auf die Coronavirus-Ausbrüche einen
       [4][Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie] auf den Weg
       gebracht. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung,
       Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten
       Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Auch die
       Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die Zahl der
       behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen
       sollen am 1. Januar in Kraft treten. (mit afp)
       
       23 Sep 2020
       
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