# taz.de -- Studie zu Angriffen im Netz: Immer mehr digitale Gewalt
       
       > Hassnachrichten, Bedrohungen, Vergewaltigungsfantasien. Gewalt im Netz
       > trifft immer mehr Menschen – insbesondere Frauen.
       
 (IMG) Bild: Wird oft im Netz beleidigt und hat geklagt: SPD-Politikerin Sawsan Chebli
       
       BERLIN taz | „Wir würden ja empfehlen, mal einen Schlachter aufzusuchen,
       damit du häßliche Schminkfratze dir die Kamelscheiße zwischen den Ohren
       entfernen und dir mal ein Gehirn einpflanzen lassen kannst.“
       
       Solche und ähnliche Angriffe erreichen die SPD-Politikerin Sawsan Chebli
       regelmäßig auf Twitter, Facebook und als Brief an die Berliner
       Senatskanzlei, wo sie Staatssekretärin ist.
       
       Sie ist nicht die einzige Frau, die im Netz beleidigt, angegriffen, bedroht
       wird. Chebli hat geklagt, genauso wie die Politikerin Renate Künast
       (Grüne), die die Übergriffe ebenfalls öffentlich gemacht hat. 58 Prozent
       der Frauen und Mädchen weltweit sind von digitaler Gewalt betroffen, besagt
       eine vor wenigen Tagen veröffentlichte [1][Studie des Kinderhilfswerks Plan
       International]. In Deutschland sind es demnach sogar 70 Prozent.
       
       Gewalt gegen Frauen – darunter Stalken, Verpügeln, Einsperren, Beleidigen –
       ist ein uraltes Thema, das seit einigen Jahren im Digitalen eine neue
       Dimension erfährt. [2][Übergriffe im Netz] sind mittlerweile sogar
       dramatischer als analoge Angriffe, sagte Anna-Lena von Hodenberg von der
       Berliner Hilfsorganisation Hate Aid am Donnerstag während einer vom
       Familienministerium organisierten digitalen Konferenz gegen Gewalt im Netz.
       
       Betroffen sind vor allem Frauen, die sich öffentlich äußern, egal zu
       welchem Thema, sei es Feminismus, Politik oder das Klima. Aber auch
       nichtprominente Frauen trifft es im privaten Umfeld hart.
       
       Chayenne Ochsenknecht sei durch die Angriffe im Netz unterdessen „sprachlos
       und leise geworden“. Das Model bekommt seit Langem die gesamte Bandbreite
       digitaler Angriffe zu spüren: Beleidigungen, Bedrohungen, Beschimpfungen.
       „Irgendwann habe ich mich nicht mehr allein auf die Straße getraut, weil
       ich Angst hatte, dass das, was mir im Netz angedroht wird, auch real
       passiert“, so Ochsenknecht auf der Konferenz.
       
       Digitale Gewalt „geht bei Frauen immer ins Sexuelle“, erklärt Expertin von
       Hodenberg: Das reiche von Beleidigungen des Körpers über
       Vergewaltungsfantasien und -wünsche bis hin zu Mordgelüsten. Ziel solcher
       Angriffe sei, „Frauen zum Schweigen zu bringen“, so Katja Grieger vom
       Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Frauen sollen aus
       dem Netz als wichtigem demokratischen Diskursraum herausgedrängt werden,
       bestätigt eine aktuelle Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht,
       die sich explizit digitaler Gewalt widmet.
       
       Was können Betroffene dagegen tun? „Anzeigen, anzeigen, anzeigen“, sagen
       sowohl Betroffene Ochsenknecht als auch Beraterin von Hodenberg. Was muss
       die Gesellschaft tun? „Wir wollen nicht, dass etwas im Netz gelebt wird,
       was wir auf der Straße niemals sagen würden“, sagt Familienministerin
       Franziska Giffey (SPD). Gewalt im Netz wird erst seit Anfang 2020
       systematisch erfasst. Allein in Bayern haben die Behörden in den letzten
       vier Monaten rund 400 Verfahren wegen Hasspostings im Internet eingeleitet.
       
       15 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.plan.de/presse/pressemitteilungen/detail/welt-maedchenbericht-2020-digitale-gewalt-vertreibt-maedchen-und-junge-frauen-aus-den-sozialen-medien.html
 (DIR) [2] /Studie-zu-Gewalt-gegen-Maedchen-im-Netz/!5718398
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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