# taz.de -- Oberstaatsanwalt über Täter im Netz: „Hass kann jeden treffen“
       
       > Die niedersächsische Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im
       > Netz ist gestartet. Frank-Michael Laue spricht über Ziele, Täter und
       > Opfer.
       
 (IMG) Bild: Wollen mit ihren Worten verletzen: Täter*innen im Netz
       
       taz: Herr Laue, Probleme mit Hass, Bedrohungen und Gewalt im Internet gibt
       es schon lange. Warum gibt es Ihre Zentralstelle erst jetzt? 
       
       Frank-Michael Laue: Weil man zunehmend erkannt hat, zumal seit der
       Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019,
       dass Hasskommentare so sehr für bare Münze genommen werden, dass Einzelne
       sich aufgefordert fühlen, tatsächlich aus Worten Taten werden zu lassen.
       
       Die Zentralstelle wird ihren Schwerpunkt auf Verfahren legen, in denen
       Amts- und Mandatsträger betroffen sind. Warum? Auch andere leiden ja unter
       Hass im Netz. 
       
       Insgesamt haben wir elf Staatsanwaltschaften in Niedersachsen, und bei
       jeder haben wir Ansprechpartner oder sind Sonderdezernate gegründet worden,
       um diese Form von Hasskriminalität zu bekämpfen. Wir als
       Schwerpunktstaatsanwaltschaft konzentrieren uns auf besonders
       herausragende, bedeutsame Fälle, die aber nicht unbedingt nur Fälle zum
       Nachteil von Amts- oder Mandatsträgern sind. Niemand ist schutzlos
       gestellt.
       
       Wie definieren Sie Hass-kriminalität? 
       
       Hasspostings, etwa mit Blick auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel,
       gab es schon lange vor der Tötung von Walter Lübcke. Aber es ist immer
       weiter eskaliert. Bei Lübcke ging das soweit, dass aufgerufen wurde: Diesen
       Mann muss man aufhängen! Aber so was hat nicht nur mit Mandatsträgern zu
       tun. Wir haben Fälle, die sind ethnisch motiviert, da geht es um die
       sexuelle Orientierung, um die Religionszugehörigkeit. Das ist mannigfaltig.
       
       Wie ist Ihre Zentralstelle personell besetzt? 
       
       Wir sind mit zwei Staatsanwältinnen an den Start gegangen, eigens dafür
       eingestellt, mit mir als Leiter der Abteilung. Derzeit befinden wir uns in
       einem Ausschreibungsverfahren für einen IT-Spezialisten, der uns
       unterstützen soll. Kommen sehr viele Fälle auf uns zu, werden wir personell
       aufgestockt.
       
       Reagieren Sie nur auf Anzeigen oder gehen Sie im Netz auch selber auf die
       Suche? 
       
       Einerseits gibt es die Anzeigen betroffener Personen. Das ist der
       Klassiker. Es findet aber auch Recherche statt. Da suchen wir in frei
       zugänglichen Quellen, bei Facebook zu Beispiel. Zudem sind
       Medienkooperationen geplant, mit Betreibern von Kommentarseiten, die uns
       oder die Polizei über Hasspostings informieren. Außerdem bekommen wir nach
       dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das derzeit parlamentarisch debattiert
       wird, Fälle über das Bundeskriminalamt zugewiesen. Die Betreiber der
       Sozialen Netzwerke sollen ja gesetzlich verpflichtet werden,
       Hassbotschaften mitzuteilen, IP-Adressen inklusive, sodass wir an die
       Beschuldigten herankommen.
       
       Wer sind die Opfer? 
       
       Hasskriminalität kann jeden treffen. Deswegen verfolgen wir ja auch nicht
       nur Straftaten zum Nachteil von Mandats- und Amtsträgern. Das kann Pastoren
       betreffen oder Lehrer, die aufs Übelste diffamiert werden. Das können
       Ehrenamtliche sein, Privatpersonen.
       
       Und die Täter? 
       
       Auch da ist die Bandbreite groß. Das können Rechtsextreme sein, das kann
       aber auch aus dem linken Lager kommen. Das kann extrem rassistisch
       motiviert sein, religiös. Das können auch einfach nur irgendwelche
       Hohlköpfe sein, die meinen, sie müssten sich auf irgendeinen Zug setzen und
       gegen andere Personen posten.
       
       Meinen Sie, dass Einrichtungen wie die Zentralstelle dazu beitragen, dass
       sich der gesellschaftliche Diskurs wandelt? 
       
       Ich kann nicht sagen, ob wir insgesamt eine Verrohung der Gesellschaft
       beobachten. Aber durch die Möglichkeit, sich anonym im Netz zu bewegen, was
       ja grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, sehen sich viele ermutigt,
       Hassbotschaften loszuwerden, weil sie denken, sie können das völlig
       ungestraft tun. Wir holen diese Leute aus ihrer Anonymität heraus. Das
       bedeutet nicht, dass wir die Meinungsäußerungsfreiheit einschränken, ganz
       im Gegenteil. Wir wollen Platz schaffen, dass man frei Meinungen äußert.
       
       Weil viele aus Angst vor Herabwürdigungen verstummen? 
       
       Ja, weil sie spätestens nach dem dritten Folgekommentar beleidigt werden.
       Da fehlt die Diskussionskultur. Man kann verschiedener Ansicht sein, aber
       jemanden mundtot machen zu wollen, ist nicht in Ordnung.
       
       Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat angekündigt,
       Hasskriminalität künftig härter zu verfolgen. Bedeutet das die Ausweitung
       von Strafrahmen? 
       
       Ich verstehe darunter auch, dass wir das Instrumentarium bekommen,
       technisch und personell, diese Verfolgung durchzuführen. Wenn man die
       bestehenden Strafrahmen ausschöpft, reicht das völlig. Gemeint ist, dass
       man unnachgiebiger verfolgt.
       
       Geht es auch um Generalprävention? 
       
       Genau. Je höher das Entdeckungsrisiko ist, weil nachdrücklich ermittelt
       wird, desto größer ist die Abschreckung potenzieller Täter. Das ist unsere
       Hoffnung.
       
       3 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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