# taz.de -- Dritter Gleichstellungsbericht: Fix the Company
       
       > Eine Sachverständigenkommission will die Digitalisierung
       > geschlechtergerecht gestalten. Nun formuliert sie Empfehlungen an die
       > Bundesregierung.
       
 (IMG) Bild: Realexperiment der Kommission in Pandemiezeiten: digitales Homeoffice
       
       Im März 2015 wird der US-Amerikanerin Dr. Lou Selby der Zugang in die
       Frauenumkleide ihres Fitnessstudios verwehrt. Das Studio arbeitet mit einem
       elektronischen Zugangssystem. Bei der Anmeldung hatte Selby ihren
       Doktortitel angegeben – und wie sich herausstellt, sortiert das System
       Personen mit Titel automatisch als männlich ein.
       
       Anhand dieses Beispiels beschreiben die Autor:innen der
       Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der
       Bundesregierung, wie sich die noch immer männlich dominierte Szene von
       Technikentwickler:innen an ihrer eigenen Erfahrungswelt orientiert –
       in den USA wie hierzulande. Denn um die Bundesrepublik geht es in dem 196
       Seiten langen Bericht der Kommission: „Digitalisierung geschlechtergerecht
       gestalten“, so ist [1][das Gutachten] überschrieben, das die Vorsitzende
       Aysel Yollu-Tok am Dienstag [2][Bundesgleichstellungsministerin Franziska
       Giffey (SPD)] übergeben hat.
       
       Zum ersten Mal folgt das Gutachten, das seit 2011 in jeder Legislatur eher
       überblicksartig die Gleichstellung der Geschlechter beleuchtet, einer vom
       Ministerium gestellten Leitfrage: „Welche Weichenstellungen sind
       erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu
       gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“
       
       Dafür nehmen die Autor:innen in den Blick, was Digitalisierung in
       Wirtschaft und Gesellschaft unter geschlechterpolitischen Vorzeichen
       bedeutet: Es geht um Arbeitsplätze in Supermärkten oder der Pflege, soziale
       Medien, Lieferdienste, Künstliche Intelligenz oder geschlechtsbezogene
       digitale Gewalt.
       
       ## Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein
       
       „Die Digitalisierung öffnet ein Gelegenheitsfenster, herrschende
       Geschlechterverhältnisse sichtbar zu machen, Rollenzuschreibungen zu
       hinterfragen und Machtverhältnisse neu zu verhandeln“, schreibt die
       Vorsitzende Aysel Yollu-Tok. Damit diese Gelegenheit aber genutzt werden
       kann, müssten drei Voraussetzungen erfüllt sein: ein geschlechtergerechter
       Zugang zu Ressourcen, eine geschlechtergerechte Nutzung digitaler
       Technologie und eine geschlechtergerechte Gestaltung des digitalen
       Transformationsprozesses.
       
       Mehr als 100 Handlungsempfehlungen formulieren die Autor:innen, wie es dazu
       kommen kann – und die sind nicht klein. Einen „Paradigmenwechsel“ innerhalb
       der Digitalbranche fordern sie etwa: „Nicht Frauen müssen sich den
       Arbeitsnormen der Digitalbranche anpassen (fix the women), sondern die
       herrschende Arbeits- und Organisationskultur muss geschlechtergerecht
       gestaltet werden (fix the company).“
       
       Methoden geschlechtergerechter Arbeitsbewertung müssten systematisch und
       verpflichtend zum Einsatz kommen – nur dann habe die Digitalisierung das
       Potential, geschlechtsbezogene Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt
       aufzulösen. Es brauche einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit, also
       Homeoffice. Und damit dieses auch geschlechtergerecht genutzt werden
       könne, müssten etwa der Schutz vor Diskriminierung und die Ausstattung des
       Arbeitsplatzes dringend gesetzlich geregelt werden.
       
       Auch aufgrund der Pandemie, so Yollu-Tok im Vorwort, habe die Kommission
       Vereinbarkeitsfragen etwa im Zusammenhang mit digitalem Homeoffice nicht
       nur theoretisch diskutiert, sondern auch praktisch erfahren: „Die Arbeit am
       Gutachten war auch ein Realexperiment, in dem wir unseren Fragen unter
       diesen speziellen Bedingungen nachgehen konnten.“
       
       Die Bundesregierung will in der ersten Jahreshälfte Stellung zum Gutachten
       nehmen, wie eine Sprecherin des Bundesfrauenministeriums mitteilte.
       
       26 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/
 (DIR) [2] /Franziska-Giffey-und-die-Berliner-SPD/!5656536
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
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