# taz.de -- Ökonom Gabriel Felbermayr über Freihandelsabkommen: „Es muss ja nicht TTIP 2.0 sein“
       
       > Asiens neues Handelsabkommen setzt USA und EU unter Druck, auch Verträge
       > auszuhandeln, sagt Ökonom Gabriel Felbermayr. Noch wichtiger sei
       > Kooperation.
       
 (IMG) Bild: Einigkeit im Osten heißt Handlungsbedarf im Westen, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr
       
       taz: Herr Felbermayr, in Asien haben 14 Staaten die [1][weltgrößte Zone für
       Freihandel] geschaffen. Was wird das für Folgen für Europa haben?
       
       Gabriel Felbermayr: Diese Länder hatten untereinander schon vorher
       bilaterale Freihandelsabkommen. Diese werden jetzt nur vereinheitlicht und
       vertieft. Aber klar: Wenn die asiatischen Länder untereinander stärker
       kooperieren, könnten europäische Unternehmen Marktanteile verlieren. Für
       allzu groß halte ich das Problem aber nicht. Die EU hat mit Japan ein
       Freihandelsabkommen, ebenso mit Südkorea, Singapur und Vietnam. Wir
       verhandeln mit Australien, Neuseeland, Indonesien, Thailand und den
       Philippinen. Das dürfte einiges wieder ausgleichen.
       
       Trump setzte auf Entkopplung, auch hierzulande war die Kritik an
       transatlantischen Abkommen wie Ceta und TTIP groß. 
       
       Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verlagert sich aber schon seit 20 Jahren
       Richtung Asien, und das dürfte sich weiter verstärken. Das nun vereinbarte
       Abkommen ist nur Ausdruck dieser Entwicklung.
       
       Setzt das asiatische Abkommen [2][Europa und die USA unter Druck], doch
       wieder verstärkt auf Freihandel zu setzen? 
       
       Ja, diesen Druck gibt es. Unter Biden als Präsident dürften sich die USA in
       Asien wieder stärker einbringen. Was das transatlantische Verhältnis
       betrifft, dürfte die Gesprächsbasis ebenfalls eine andere sein als unter
       Trump. Es muss ja nicht gleich zu TTIP 2.0 kommen. TTIP war zu überfrachtet
       mit Themen, die gar nicht mit Handel zu tun hatten. Auch deswegen waren die
       Verhandlungen gescheitert. Eins sollte uns aber klar sein: Je stärker sich,
       wie beim Streit zwischen Boeing und Airbus, Europa und die USA gegenseitig
       mit Strafzöllen belegen, umso besser ist das für Konkurrenten in Asien.
       China und Russland, die beide Flugzeuge bauen wollen, arbeiten zusammen.
       Konkrete Kooperation ist wichtiger als überambitionierte
       Freihandelsabkommen.
       
       Wichtige Themen wie Klimaschutz und soziale Rechte tauchen so gut wie gar
       nicht auf. 
       
       Klar, wenn wir mit Indonesien verhandeln, ist Klimaschutz ein wichtiger
       Aspekt – zu viel stünde auf dem Spiel, wenn Freihandel zu noch mehr
       Abholzung der für die ganze Welt wichtigen Regenwälder führen würde. Wenn
       es aber um lokale Umweltverstöße geht, sollten wir uns nicht zu sehr in die
       Belange anderer Länder einmischen. Und auch bei sozialen Rechten würde ich
       die Verhandlungen nicht überfrachten. Die Einhaltung der allgemeinen
       Menschenrechte darf nicht infrage stehen. Darauf pochen die Europäer bei
       den Verhandlungen auch. Für alles, was aber darüber hinausgeht, sind die
       Länder selbst zuständig. Wir wollen umgekehrt ja auch nicht, dass
       Handelspartner uns vorschreiben, wie wir unsere Arbeitsplätze zu regulieren
       haben.
       
       Von noch mehr Freihandel profitieren meist große Unternehmen, kleine
       Betriebe leiden hingegen, wegen Lohndumping oft auch
       Arbeitnehmer*innen. Ist es womöglich von Vorteil, wenn Europa und die
       USA auf weniger Freihandel setzen? 
       
       Nein, das sehe ich nicht so. Die Frage ist eher: Wie können wir mit
       geeigneten Maßnahmen die negativen Folgen von Freihandel abfedern? Es gibt
       genug Beispiele dafür, dass die Transformation von traditionellen
       Industrieregionen in moderne Dienstleistungs- und Technologiezentren
       funktionieren kann. Auch hierzulande gibt es Regionen, die es schwer haben.
       Aber im Wesentlichen funktioniert das besser als in vielen Teilen der USA.
       Das Problem dort ist aber die verfehlte Sozialpolitik. Wenn dort
       Industriearbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren, haben sie auch gleich keine
       Sozialversicherung mehr.
       
       16 Nov 2020
       
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