# taz.de -- Akten zum Rechtsterror des NSU: Das Ende der Aufklärung?
       
       > In Bayern wird die Aufhebung des Löschmoratoriums für Akten zum NSU
       > geprüft. Hinterbliebene protestieren – und fordern einen zweiten
       > U-Ausschuss.
       
 (IMG) Bild: Akten des Gerichts im Prozess der Angeklagten Beate Zschäpe im Mai 2013
       
       MÜNCHEN/BERLIN taz | Neun Jahre ist es her, dass die Rechtsterrorserie des
       sogenannten [1][Nationalsozialistischen Untergrunds, kurz NSU], mit zehn
       Toten und drei Sprengstoffanschlägen aufflog. Ein [2][Großprozess] in
       München wurde abgehalten, Untersuchungsausschüsse wurden eingesetzt. Nun
       aber droht die Aufklärung an ihr Ende zu kommen.
       
       Das bayerische Innenministerium bestätigte, dass im Freistaat eine Prüfung
       laufe, das Löschmoratorium für Akten mit NSU-Bezug bei der Polizei
       „aufzuheben“. Der bayerische Datenschutzbeauftragte habe die Prüfung des
       seit Ende 2015 bestehenden Moratoriums eingefordert. Nachdem
       Untersuchungsausschüsse in den Ländern beendet und die Bayern betreffende
       Beweisbeschlüsse abgearbeitet seien, sei die Prüfung „notwendig“. Für
       Verfassungsschutzakten sei die Löschsperre bereits aufgehoben.
       
       Bayern war Schwerpunkt des NSU-Terrors: Fünf Morde verübte die Gruppe in
       Nürnberg und München, dazu einen Sprengstoffanschlag in Nürnberg 1999. Die
       Opposition und Hinterbliebene reagierten auf die Nachricht zum
       Löschmoratorium alarmiert. Es dürfe „keinen Schlussstrich“ unter die
       NSU-Aufklärung geben, heißt es in einer Erklärung von Familien der
       Mordopfer Enver Şimşek und Theodoros Boulgarides, vom Nürnberger
       Attentatsopfer Mehmet O. und Anti-rechts-Initiativen. Anwältin Seda
       Başay-Yıldız, die die Familie Şimşek vertritt, spricht von „unglaublich
       vielen offenen Fragen“ zu den bayrischen NSU-Taten.
       
       Auch die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und der grüne
       Innenexperte Cemal Bozoğlu forderten: „Die Vernichtung von Unterlagen und
       Akten mit Bezug zum NSU muss unbedingt verhindert werden.“ Es drohe
       „wichtiges Material zum NSU-Komplex unwiederbringlich verloren zu gehen“.
       
       Das Innenministerium beruhigt: Auch nach Ende des Löschmoratoriums würden
       „sämtliche“ NSU-Unterlagen der Polizei erst einmal weiter zur Verfügung
       stehen, heißt es in einer aktuellen Antwort auf eine Grünen-Anfrage. Auch
       die Verfassungsschutzakten würden weiter aufbewahrt. Diesen schreibe das
       Landesamt einen „bleibenden historischen Wert“ zu, sie sollen deshalb
       perspektivsch dem Bayrischen Hauptstaatsarchiv übergeben werden.
       
       Die Opferfamilien und Initiativen drängen mit einer Petition allerdings auf
       mehr: einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern. Ein erster tagte
       bereits von 2012 bis 2013. Einige Informationen, etwa zum Anschlag in
       Nürnberg oder zu bayerischen Kontakten des NSU-Trios, wurden aber erst
       danach bekannt. Bayern habe hier als Land mit den meisten NSU-Mordopfern
       eine besondere Verantwortung, heißt es in der Petition. Ohne Antworten auf
       [3][die offenen Fragen] „werden wir den NSU-Komplex niemals auflösen“.
       
       SPD und Grüne signalisieren Unterstützung. „Prinzipiell kommt ein zweiter
       Untersuchungsausschuss infrage“, sagt SPD-Innenexperte Florian Ritter. Man
       sei im Austausch mit den Engagierten, um eine „Bestandsaufnahme“ der
       offenen Fragen zu erstellen. Auch der Grüne Bozoğlu hält das Helfernetzwerk
       des NSU in Bayern für „nicht mal ansatzweise aufgeklärt“. Man sei den
       Opfern die Aufklärung schuldig.
       
       Grüne und SPD zusammen könnten den Ausschuss bereits einsetzen. Die
       CSU-Fraktion positionierte sich noch nicht. Man kenne die Petition bisher
       nur aus den Medien, sagte eine Fraktionssprecherin.
       
       Mit der Debatte um die NSU-Aufklärung ist Bayern nicht allein. Nur in
       Mecklenburg-Vorpommern läuft derzeit noch ein NSU-Ausschuss. In anderen
       Bundesländern liefen Löschmoratorien bereits aus. In Sachsen, wo das
       NSU-Kerntrio lebte und Banküberfälle beging, erfolgte dies bereits im Mai.
       Das dortige Innenministerium teilte mit, dass die Unterlagen aber noch
       existierten und dem sächsischen Staatsarchiv angeboten werden. Bis zu einer
       Entscheidung „erfolgt keine Vernichtung“.
       
       In Nordrhein-Westfalen, wo der NSU in Dortmund mordete und in Köln
       Anschläge verübte, hat das Löschmoratorium noch Bestand. Thüringen hatte
       die Löschsperre zuletzt noch bis Ende 2021 verlängert. Dort soll ein
       öffentlich zugängliches NSU-Archiv angelegt werden.
       
       1 Dec 2020
       
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