# taz.de -- Rassismus-Beauftragte*r gefordert: Eine Stelle gegen Hass
       
       > Rassismus soll aktiv bekämpft werden: Dafür sollte es eine*n
       > Beauftragte*n des Landes geben, fordert der Bremer Rat für Integration.
       
 (IMG) Bild: Integration erfordert viele Opfer: Die Ex-Bremerin Marwa Sherbini wurde 2009 in Leipzig erschossen
       
       BREMEN taz | Die Funktion eine*r Antirassismusbeauftragte*n zu schaffen,
       fordert der Bremer Rat für Integration (BRI). Zu verstehen sei diese
       „analog zur Frauenbeauftragten“, heißt es in einer Stellungnahme zum
       „Rahmenkonzept Diversity“, das der Senat derzeit erarbeiten muss.
       Behördenübergreifend sollte diese Zentralstelle arbeiten und personell mit
       mindestens zwei Vollzeitkräften ausgestattet sein, so die Idee des BRI.
       
       Außerdem regt der Rat an, im Gesundheitsressort ein eigenes Referat „Armut,
       Migration und Gesundheit“ zu schaffen. Insgesamt sei es wichtig, die
       Verwaltung über die bisherige erfolgreiche Gleichstellungspolitik hinaus
       für „intersektionale Frauenpolitik“ zu sensibilisieren.
       
       Der Begriff Intersektionalität bezeichnet den Umgang mit der Tatsache, dass
       den meisten Diskriminierungserfahrungen ein Zusammenspiel von
       unterschiedlichen mit Vorurteilen behafteten Eigenschaften und
       gesellschaftlich negativ bewerteten Zuschreibungen zugrunde liegt.
       
       Ein besonders krasses Beispiel ruft der BRI in Erinnerung: Am 3. November
       war in Huchting eine Schwarze Frau im Nachtbus rassistisch und sexistisch
       beleidigt worden, bevor die Angreifer sie mit Schlägen und Tritten
       krankenhausreif geprügelt hatten. Gebot der Stunde sei deshalb ein
       inklusiver Feminismus, „der über Gewaltschutz- und Sprachprogramme
       hinausgeht“ so der BRI, „und sich eingehender mit den Belangen von allen
       Frauen* befasst.“
       
       ## Beteiligung gefordert
       
       Zur Stellungnahme war der Rat von der Sozialsenatorin aufgefordert worden:
       Vor einem Jahr hatten [1][alle Fraktionen der Bürgerschaft beschlossen],
       dass die Verwaltung ein „Rahmenkonzept gesellschaftliche Teilhabe und
       Diversity“ bis Ende 2020 solle – und migrantische Selbstorganisationen und
       die Öffentlichkeit daran zu beteiligen seien. Corona hat die Prozesse
       verlangsamt.
       
       Noch ist die Beteiligungsphase nicht ganz abgeschlossen, aber die meisten
       Vorschläge sind eingereicht. Und ein bisschen wirkt man bei Soziales
       überrumpelt vom konkreten Ergebnis: „Ich weiß nicht, ob in einem solchen
       Rahmenkonzept die Forderung Platz hat, die Stelle eines Beauftragten zu
       schaffen“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Senatorin. Ob die Spitze des
       Hauses eine entsprechende Empfehlung aussprechen werde, steht auch nicht
       fest: „Das ist eine Frage, die im politischen Raum erörtert werden muss“,
       so Schneider.
       
       Das Argument des BRI ist dabei nicht von der Hand zu weisen:
       Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und rassistischer Zuschreibung
       nimmt zu. Ein starker Indikator dafür sind die bei der
       Antidiskriminierungsstelle des Bundes dokumentierten Rassismusfälle, deren
       Zahl sich seit 2014 verdoppelt hat.
       
       Die Studien, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit messen, bestätigen
       das Vordringen xenophober Einstellungen und das Anschwellen von diffusem
       Hass. Während die bereits beschlossene Antidiskriminierungsstelle in erster
       Linie Beschwerden aufnehmen soll, hätte ein*e Antirassismusbeauftragte*
       eine gestalterische Aufgabe.
       
       Statt nur immer neue Opfergeschichten aufzeichnen zu müssen und ihnen
       nachzugehen, könnte sie dem Trend zum Hass entgegenwirken, Schulungen
       anbieten, für Aufklärung sorgen – und für Empowerment.
       
       ## Grüne reagieren mit Wohlwollen, CDU mit Skepsis
       
       Unterstützung signalisiert die Linksfraktion: „Eine Anlaufstelle, die der
       ZGF gleichgestellt wäre, wäre angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung
       nur legitim“, sagte deren Vorsitzende Sofia Leonidakis der taz. „Wir
       begrüßen das Positionspapier des BRI als wertvollen Beitrag zur Debatte.“
       
       Auch die Grünen schauen mit Wohlwollen auf den Vorschlag, allerdings
       verhaltener: „Angesichts der Entwicklung kann ich die Forderung gut
       verstehen“, begrüßte Sahhanim Görgü-Philipp zwar die Stellungnahme des BRI,
       darauf festlegen könne sie sich indes derzeit nicht, so die
       stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaftsgrünen: „Wir haben
       sehr viel angestoßen“, sagt sie, deshalb müsse man schauen, wie die
       Maßnahmen insgesamt zusammenpassen.
       
       Mit Skepsis reagiert die CDU auf den Vorstoß: Die Bürgerschaft habe im
       vergangenen Jahr beschlossen, einen Aktionsplan Antirassismus zu erstellen
       und eine Antidiskriminierungsstelle einzurichten, erläuterte die
       Integrationspolitikerin Sigrid Grönert der taz. Das seien „Beschlüsse, mit
       denen sich das Thema Rassismusbekämpfung aus Sicht der CDU gut abdecken“
       lasse. „Deshalb werden wir uns nicht hinter die Forderung stellen.“
       
       15 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://paris.bremische-buergerschaft.de/starweb/paris/servlet.starweb
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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