# taz.de -- Eine Woche US-Präsident Biden: Bloß keine Zeit vergeuden
       
       > Joe Biden tut alles, um die Politik seines Vorgängers umzukehren. In der
       > ersten Woche hat er so viele Dekrete verabschiedet wie kein Präsident
       > zuvor.
       
 (IMG) Bild: Neue Coronaregeln und mehr Impfstoff zählt zu den präsidentiellen Vorhaben von Joe Biden
       
       NEW YORK taz | Joe Biden ist [1][rasant] losgeprescht. Der älteste
       Präsident, den die USA je hatten, hat in seiner ersten Woche im Amt mehr
       Dekrete unterschrieben als jeder Amtsvorgänger vor ihm. Jeden Tag haben
       seine Landsleute ihn im Oval Office neben einem neuen Stapel von in
       dunkelblaue Einbände gefassten präsidentiellen Vorhaben gesehen.
       
       Dabei ging es um so unterschiedliche Dinge wie neue Coronaregeln
       (Maskenpflicht in Bundesräumen) und mehr Impfstoffkäufe (bis zum Sommer
       will er 300 Millionen Leute impfen lassen), den Mauerbau (gestoppt), die
       Regelungen zum Status von Papierlosen (angekündigt), die Bekämpfung von
       Rassismus (gegen schwarze und asiatische AmerikanerInnen), die
       Gleichbehandlung von Transgender-Leuten (sie dürfen im Militär bleiben),
       die Rückkehr in internationale Abkommen (Klima, START) und die
       Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der palästinensischen
       Führung.
       
       Mindestens ebenso stark wie Bidens mehr als drei Dutzend Dekrete
       kontrastieren sein Auftreten und sein Ton mit seinem Amtsvorgänger. Biden
       spricht in ganzen Sätzen. Bezieht sich auf die [2][Forschung]. Benutzt auch
       leise – und manchmal fast geflüsterte – Töne. Richtet sich an all seine
       Landsleute. Bereitet sie auf schlechte Nachrichten vor (eine halbe Million
       Covid-19-Tote bis Februar) und mahnt sie zu Vernunft und Respekt.
       
       Er selbst trägt überall eine Maske, die er zum Reden abnimmt. Und erinnert
       daran, dass der „systemische Rassismus“, den nie zuvor ein US-Präsident so
       häufig erwähnt hat wie er, auch in der Pandemie Ungerechtigkeiten schafft
       (deutlich höhere Opferzahlen in POC-Communitys), auf die der Staat
       ausgleichend reagieren muss. In seiner ersten Woche verfügt er auch, dass
       [3][Harriet Tubman], die ehemalige Sklavin, die nach ihrer eigenen Flucht
       Dutzenden anderen Menschen in die Freiheit geholfen hat, demnächst auf die
       20-Dollar-Scheine kommen wird.
       
       ## Umgestaltetes Oval Office
       
       [4][Seine eigene Rolle] bei der Genese der Dekrete macht Biden nicht zum
       Thema. Natürlich schreibt er auch keine Tweets, in denen er Attacken in
       Großbuchstaben führt. In der ersten Person spricht er in seiner ersten
       Woche vor allem, wenn es darum geht, Regeln aufzustellen. „Falls jemand
       Respektlosigkeit zeigt, entlasse ich ihn auf der Stelle“, sagt er am Abend
       seines ersten Amtstages, als er Hunderte von Regierungsmitarbeitern per
       Videoschaltung vereidigt.
       
       Auch die Umgebung hat sich verändert. Im Oval Office hängen jetzt etwas
       dunklere Vorhänge. Und die Büsten im Raum repräsentieren jetzt auch andere
       Figuren und Ereignisse aus der Geschichte als nur die weißen
       „Gründerväter“. Biden hat zusätzlich zur Martin-Luther-King-Büste auch
       Skulpturen des Landarbeitergewerkschafters César Chavez und der
       Bürgerrechtlerin Rosa Parks im Büro.
       
       Die Sammlung von militärischen Münzen und die Reiterstatue von Präsident
       Andrew Jackson, der sein Vermögen mit Sklaven machte und während seiner
       Amtszeit Vertreibungen von Native Americans organisierte, sind
       verschwunden.
       
       In Washington beschreibt der prominente Virologe Anthony Fauci die neue
       Atmosphäre als „befreiend“. Der Arzt hat Generationen von US-Präsidenten in
       Gesundheitskrisen beraten. Aber bei dem letzten stand er mitten in der
       Pandemie auf der Abschlussliste. Auch in den befreundeten Hauptstädten – in
       Kanada, Mexiko, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, wo Biden
       nacheinander und in dieser Reihenfolge die Regierungs- und Staatschefs
       angerufen hat – ist die Erleichterung über berechenbarere Partner in
       Washington spürbar.
       
       Zwischenwahlen im Herbst 2022 
       
       Der neue Außenminister [5][Antony Blinken], der seine Karriere unter den
       beiden Clintons begonnen hat, hat bei seiner Anhörung im Senat zwar die
       Tötung des iranischen Generals Qasim Soleimani als „das richtige Ding“
       gerechtfertigt und den Wiedereinstieg in das Atomabkommen an kaum
       erfüllbare Bedingungen geknüpft. Aber er bekennt sich zur Nato und zur
       Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und steht für den
       Multilateralismus früherer US-Regierungen.
       
       Wenn Biden spricht oder unterschreibt, steht meistens die erste Frau im
       zweithöchsten Amt der USA neben ihm. Vizepräsidentin Kamala Harris hat in
       dieser ersten Woche bereits mehrere Regierungsmitglieder vereidigt, nachdem
       der Senat sie bestätigt hat. Darunter [6][Janet Yellen], die ehemalige
       Notenbankchefin, die jetzt die erste Frau an der Spitze des
       Finanzministeriums ist. Und [7][Lloyd Austin], der erste schwarze
       Verteidigungsminister. Sowie Avril Haines, die Geheimdienstkoordinatorin,
       deren Behörde nach den Angriffen von 9/11 gegründet worden war, um die USA
       vor internationalem Terrorismus zu schützen, und die sich nach dem Sturm
       auf das Kapitol auch mit dem „inländischen Extremismus“ befassen muss.
       
       Dekrete sind eine Möglichkeit für Biden, zumindest einige seiner
       Wahlversprechen schnell umzusetzen. Aber sie bieten nur vorübergehende
       Garantien. Die nächste Präsidentin kann neue Dekrete schreiben und alte
       streichen. Für die Umsetzung seiner großen Vorhaben – wie das
       1,9-Billionen-Dollar-Konjunkturpaket und die Einwanderungsreform –, ist
       Biden auf die Unterstützung des Kongress angewiesen.
       
       Zum ersten Mal seit zehn Jahren haben die DemokratInnen in beiden Kammern
       knappe Mehrheiten. Aber auch dort steht Biden unter Zeitdruck. Denn schon
       im Herbst 2022 finden Halbzeitwahlen statt, die neue Mehrheitsverhältnisse
       und Blockaden schaffen könnten.
       
       27 Jan 2021
       
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