# taz.de -- Kampagnenleiter von LobbyControl: „Das ist ein politisches No-Go“
       
       > Der Zugang zu Regierungsmitgliedern dürfe nicht von Spenden abhängig
       > sein, sagt Timo Lange von LobbyControl. Er kritisiert Gesundheitsminister
       > Spahn.
       
 (IMG) Bild: Klüngelt die Union zu sehr mit der Wirtschaft?
       
       taz: Herr Lange, [1][Gesundheitsminister Jens Spahn] hat im Oktober nicht
       nur trotz Corona an einem Dinner mit etwa einem Dutzend Unternehmern
       teilgenommen, diese sollen auch aufgefordert worden sein, 9.999 Euro an
       Spahns CDU-Kreisverband zu spenden. Wie beurteilen Sie das? 
       
       Timo Lange: Das ist hochgradig fragwürdig. Spenden zu verlangen, um nicht
       nur mit einem CDU-Politiker, sondern auch noch mit einem Minister ins
       Gespräch zu kommen, ist ein politisches No-Go. Der Zugang zu
       Regierungsmitgliedern darf nicht von der Zahlung von Spenden abhängig
       gemacht werden.
       
       Und was sagen Sie zu der Summe? 
       
       Offensichtlich sollten diese Spenden vor den Blicken der Öffentlichkeit
       verborgen werden. Bei Spenden in der Höhe ab 10.000 Euro müssen die
       Parteien in ihren Rechenschaftsberichten die Identität der Spender
       offenlegen.
       
       Ist ein solches Vorgehen eher die Ausnahme oder die Regel? 
       
       Das beobachten wir leider immer wieder. Es ist ein Einfallstor für
       unzulässige Einflussnahme. Deshalb fordern wir gemeinsam mit anderen
       Organisationen wie Transparency International, diese Grenze auf 2.000 Euro
       zu senken. Ab 10.000 Euro sollten Parteispenden auch unmittelbar auf der
       Seite des Bundestages offengelegt werden. Da liegt die Grenze derzeit bei
       50.000 Euro.
       
       Welche anderen Fälle meinen Sie? 
       
       Es gab in den vergangenen Jahren zahlreiche ähnliche Fälle. Dinner mit
       SPD-Politikern zum Beispiel, die veranstaltet wurden und im Gegenzug
       flossen Sponsoring-Zahlungen. Termine mit Ministern oder
       Ministerpräsidenten dürfen nicht gegen Zahlungen angeboten werden.
       
       Ein etwas anders gelagerter Fall ist der des [2][CSU-Abgeordneten Georg
       Nüßlein]. Dieser soll, so der Verdacht, für eine Textilfirma Großaufträge
       für die Produktion von Atemschutzmasken akquiriert und dafür 660.000 Euro
       Provision kassiert und diese zudem nicht versteuert haben. Die
       Staatsanwaltschaft ermittelt. Was sagen Sie dazu? 
       
       Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, wäre das ein ungeheuerlicher
       Vorgang, der das Ansehen des gesamten Parlamentes beschädigt. Abgeordnete
       dürfen ihre Stellung nicht nutzen, um daraus private Vorteile zu ziehen.
       Sollte sich das bestätigen, sollte Herr Nüßlein von seinen Ämtern
       zurücktreten. Grundsätzlich zeigen die Skandale der vergangen Monate, dass
       wir einen großen Wurf beim Lobbyismus insgesamt brauchen – da sind ja auch
       noch Philipp Amthor und [3][Karl-Theodor zu Guttenberg] zu nennen.
       
       Was heißt: ein großer Wurf? 
       
       Das fängt beim Lobbyregister an, über das intensiv diskutiert wurde, wo
       sich aber nichts tut. Aus den Abgeordnetenregeln müsste endlich ganz klar
       hervorgehen, dass Abgeordnete neben ihrem Mandat nicht als bezahlte
       Lobbyisten gegenüber Ministerien oder den Bundesländern auftreten dürfen.
       Wir fordern außerdem, dass Nebeneinkünfte auf Euro und Cent offengelegt
       werden müssen und dies auch für Aktienoptionen gilt, worum es ja im Fall
       Amthor ging. Eine wichtige Baustelle ist auch die Beteiligung von
       Abgeordneten an Unternehmen.
       
       Die große Koalition hatte ein Lobbyregister angekündigt. Woran hapert es? 
       
       Da steht die Union auf der Bremse. Sie will nicht, dass Lobbyisten, die auf
       die Ministerien zugehen, erfasst werden. Das wollte die SPD richtigerweise
       nicht akzeptieren.
       
       Spahn, Nüßlein, Amthor, Guttenberg – hat die Union ein besonderes Problem
       in dieser Frage? 
       
       Es ist augenfällig, dass gerade in dieser Legislaturperiode bei der Union
       ein Lobbyskandal nach dem anderen bekannt wird. Das hat sicherlich etwas
       mit der Haltung und der besonderen Nähe zur Wirtschaft zu tun. Aber es
       sollte auch in der Union klar sein, dass Politiker klar zwischen
       politischen Überzeugungen und wirtschaftlichen Interessen trennen müssen.
       
       2 Mar 2021
       
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