# taz.de -- Trans*-Rechte und Gesetzentwurf: Von Rechten geleakt
       
       > Das Transsexuellengesetz soll durch eine Neuregelung abgelöst werden.
       > Jetzt hat ein rechtes Bündnis das inoffizielle Papier öffentlich gemacht.
       
 (IMG) Bild: Demonstration des rechtsklerikalen Aktionsbündnis „Demo für Alle“: 28. Februar 2016 in Stuttgart
       
       Ein Gesetzentwurf zur Änderung des Geschlechtseintrags tauchte Ende Februar
       auf einer reaktionären Kampagnenplattform auf. Das rechtsklerikale
       Aktionsbündnis „Demo für Alle“ initiierte unter dem Titel „Kinderfalle
       Trans-Gesetz – sofort stoppen!“ eine Petition gegen das Gesetz. Bis heute
       haben über 14.000 Menschen unterschrieben.
       
       Wie sind die Antifeminist*innen und [1][Trans*feinde] der „Demo für
       Alle“ an den inoffiziellen Entwurf von Innenministerium und
       Justizministerium gekommen?
       
       Bereits am 6. Februar hatte die antifeministische Publizistin [2][Birgit
       Kelle] in einem langen Artikel für den Fokus vor den „dramatischen Folgen
       für Frauen und Kinder“ gewarnt, die eine solche Gesetzesänderung ihrer
       Meinung nach bedeute. In dem Artikel heißt es, der Entwurf läge der
       Redaktion vor.
       
       Kelle ist regelmäßige Sprecherin bei Aktionen und Konferenzen des „Demo für
       Alle“-Bündnisses. In ihrem Artikel behauptet sie, der Entwurf würde
       „bereits fast alle Forderungen“ der „LGBT-Lobbyverbände“ übernehmen. Auf
       der Petitionsseite heißt es sogar, „Die Transgender-Lobby lässt die
       Sektkorken knallen!“.
       
       ## So gar nicht in Sektlaune
       
       Davon kann allerdings keine Rede sein. Kalle Hümpfner, Fachreferent_in für
       gesellschaftspolitische Arbeit [3][beim Bundesverband Trans*] (BVT*) ist
       nicht in Sektlaune, sondern vielmehr beunruhigt. Dass rechtskonservative
       Kreise den Entwurf bekommen haben, Betroffenenverbände aber immer wieder
       mit der Floskel abgespeist würden, die Abstimmung innerhalb der
       Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen, sei mehr als ärgerlich.
       
       Hümpfner plant eine formale Nachfrage des BVT* bei den Ministerien und
       fordert, es müsse aufgeklärt werden, wie dieser Entwurf auf die
       Petitionsseite gekommen sei. Möglich ist, dass er absichtlich
       durchgestochen wurde, um Stimmung gegen eine Liberalisierung zu machen. Das
       Gesetz zur Änderung des Geschlechtseintrags soll das Transsexuellengesetz
       von 1981 ablösen, das das Bundesverfassungsgericht bereits in mehreren
       Teilen außer Kraft gesetzt hat, da sie gegen die Menschenrechte verstießen.
       
       Dem dringenden Reformbedarf wollte die Koalition bereits im Mai 2019
       abhelfen, als das Kabinett den damaligen Gesetzentwurf von
       Justizministerium und Innenministerium zur „Neuregelung der Änderung des
       Geschlechtseintrags“ beschließen sollte. Nach heftiger Kritik von
       Organisationen der Selbstvertretung verschwand der Entwurf jedoch wieder in
       den Schubladen. Bereits da gab die damalige Justizministerin Katarina
       Barley (SPD) zu, dass der Entwurf „nicht ideal“ sei. Die Verantwortung
       dafür trage jedoch der Koalitionspartner.
       
       Inhaltlich habe sich an dem Vorhaben seit 2019 kaum etwas geändert, dies
       sei „kaum die Reform, die wir uns erhofft haben“, bedauert Hümpfner.
       Dennoch geht sie offenbar einigen Konservativen bereits zu weit. Auf
       Nachfrage der taz wollen sich weder das Justizministerium noch das
       Innenministerium zu den laufenden Abstimmungen äußeren, noch die Frage
       beantworten, ob es interne Ermittlungen gibt, wer das Dokument geleakt hat.
       
       Der Pressesprecher des Bundesinnenministeriums schreibt lediglich, das
       Ministerium habe „keinen diesbezüglichen Referentenentwurf veröffentlicht“.
       Ob das auf der Petitionsplattform veröffentlichte Dokument den aktuellen
       Diskussionsstand wiedergibt, ist somit unklar.
       
       ## Der Bundesverband Trans* kritisiert geleakten Entwurf
       
       An dem Entwurf kritisiert Hümpfner vor allem, dass er die Fremdbestimmung
       trans und intergeschlechtlicher Personen zementieren würde. Zwar sehe
       dieser nur eine verpflichtende Beratung für trans Personen vor, bevor diese
       ihren Geschlechtseintrag ändern lassen könnten, dies sei jedoch eine
       „Begutachtung durch die Hintertür“.
       
       Zur Änderungen des Geschlechtseintrags benötigten transgeschlechtliche
       Menschen weiterhin ein amtsgerichtliches Verfahren, statt diese, wie von
       den Selbstvertretungsorganisationen gefordert, einfach beim Standesamt
       durchführen zu können. Dies würde die bisherige lange Dauer des Verfahrens
       kaum reformieren, zudem würde weiterhin ein*e Richter*in darüber
       entscheiden, ob die Person trans genug ist. Einem Recht auf
       Selbstbestimmung widerspricht das fundamental, führt Hümpfner aus.
       
       Für Kinder und Jugendliche bedeute der Entwurf zudem eine Verschlechterung
       gegenüber dem Status quo: Da Gerichte bereits entschieden hätten, dass
       7-Jährige ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag mit Zustimmung der
       Eltern ändern könnten, sei die vorgeschlagene Altersgrenze von 14 Jahren
       ein Rückschritt, so Hümpfner.
       
       Die geplante Regelung, die laut der „Demo für Alle“-Petition ein
       „hinterhältiger Angriff auf die Kinder“ ist, würde diese in ihrer
       geschlechtlichen Selbstbestimmung also eher einschränken, statt den
       Geschlechtseintrag zu erleichtern. Ob das Gesetzesprojekt noch in dieser
       Legislaturperiode zu einem für trans und inter Personen guten Abschluss
       kommen kann, bezweifelt Hümpfner.
       
       4 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Transfeindlichkeit-in-Brasilien/!5750415
 (DIR) [2] /Antifeministin-Birigt-Kelle-in-Dresden/!5289539
 (DIR) [3] https://www.bundesverband-trans.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kirsten Achtelik
       
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