# taz.de -- Türkische Menschenrechtlerin verurteilt: Sechs Jahre Haft für Eren Keskin
       
       > Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe. Neben der bekannten
       > Menschenrechtlerin sind in der Türkei drei weitere Personen verurteilt
       > worden.
       
 (IMG) Bild: Die türkische Menschenrechtlerin Eren Keskin im Jahr 2005 in Esslingen
       
       ISTANBUL taz | Die bekannte türkische Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin
       ist am Montag von einem Istanbuler Gericht zu sechs Jahren und drei Monaten
       Haft verurteilt worden. Sie wurde für schuldig befunden, Mitglied einer
       terroristischen Vereinigung zu sein. Das Urteil ist noch nicht
       rechtskräftig und Eren Keskin deshalb noch auf freiem Fuß.
       
       Auf Twitter [1][schrieb Keskin] am Montag, sie sei oft angeklagt worden und
       habe wegen ihrer Ansichten im Gefängnis gesessen. Es sei jedoch das erste
       Mal, dass sie wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verurteilt
       werde.
       
       Keskin war wie viele andere demokratisch engagierte Personen in der Türkei
       in einem [2][Prozess gegen die frühere kurdische Tageszeitung Özgür Gündem]
       angeklagt, weil sie sich aktiv für die bedrohte Zeitung engagiert hatte.
       Weil diese 2015 immer stärker unter staatlichen Druck geriet, hatte sich
       eine Gruppe bekannter Schriftsteller*innen, Journalisten*innen,
       Künstler*innen und Menschenrechtsaktivist*innen zu einer
       Solidaritätsaktion zusammengeschlossen. Jeden Tag abwechselnd übernahm
       eine/r der Prominenten symbolisch die Chefredaktion von Özgür Gündem.
       
       Nachdem die Zeitung nach dem Putschversuch 2016 wie viele andere auch
       verboten wurde, zimmerte die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen die
       damaligen Teilnehmer*innen der Solidaritätsaktion zusammen. Allen wurde
       Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
       
       Die Anklage war einer der ersten Schritte der Erdoğan-Regierung, mit der
       die Verfolgung von Kritikern über den Kreis der Putschverdächtigen im
       Umfeld der Sekte von Fethullah Gülen ausgedehnt wurde. Zu den Angeklagten
       zählten unter anderen die Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die mittlerweile
       in Deutschland lebt, der türkische Vertreter von Reporter ohne Grenzen,
       Erol Önderoğlu, die Menschenrechtsaktivistin und heutige Vorsitzende der
       türkischen Ärztekammer Şebnem Korur Fincancı und eben Eren Keskin.
       
       ## Furchtlos und ausdauernd
       
       Während [3][Aslı Erdoğan auf internationalen Druck aus der U-Haft entlassen
       wurde und die Türkei verlassen konnte] und Önderoğlu und Fincancı in erster
       Instanz freigesprochen wurden, blieb Keskin zusammen mit mehreren
       Redakteuren von Özgür Gündem im Hauptverfahren weiter angeklagt.
       
       Der Hauptgrund dafür dürfte gewesen sein, dass Keskin schon seit
       Jahrzehnten für die Rechte der Kurd*innen, für Pressefreiheit und speziell
       gegen sexuelle Belästigung im Gefängnis kämpft. Sie ist seit der Gründung
       des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in den achtziger Jahren an
       führender Stelle in dem Verein engagiert und hat sich in dieser Zeit
       zahllose Verfahren eingehandelt.
       
       In den neunziger Jahren saß sie bereits für mehrere Jahre im Gefängnis.
       Ende des Jahrzehnts gehörte sie zu der Anwaltsgruppe, die den PKK-Führer
       Abdullah Öcalan nach dessen Verhaftung vertrat. Wer mit Keskin spricht, auf
       den macht sie einen furchtlosen Eindruck. Offenbar hat sie sich all die
       Jahre nicht einschüchtern lassen; auch aus der der Menschenrechtsarbeit zog
       sie sich nicht zurück.
       
       Wie die Organisation Amnesty International, die Keskin 2001 den
       Menschenrechtspreis verlieh, vorrechnete, summieren sich die
       erstinstanzlichen Haftstrafen gegen sie, einschließlich des Urteils von
       Montag, mittlerweile auf 24 Jahre. Der deutsche AI-Vorsitzende Markus Beeko
       verurteilte den Prozess gegen Keskin als politisch motivierte juristische
       Farce, in dem die türkische Justiz sich erneut zur Handlangerin der Politik
       gemacht hat.
       
       Auch gegen Önderoğlu und Fincancı geht die Justiz weiter vor. Einem
       Einspruch der Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche in erster Instanz
       wurde kürzlich von einem Berufungsgericht stattgegeben. Beide stehen
       deshalb erneut vor Gericht. Nach der Schließung von Özgür Gündem gibt es in
       der Türkei keine legalen kurdischen Zeitungen mehr.
       
       15 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/KeskinEren1/status/1361225833357209601?s=20
 (DIR) [2] /Pro-kurdischer-Nachrichtensender/!5335311
 (DIR) [3] /Menschenrechtlerin-in-der-Tuerkei/!5631275
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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