# taz.de -- Schüler provoziert mit Reichsflagge: Was tun?
       
       > Ein extrem rechter Uelzener Gymnasiast testet, wie weit er seine
       > Gesinnung an der Schule nach außen tragen kann. Die Schulleitung reagiert
       > hilflos.
       
 (IMG) Bild: „Sturmvögel“ unterwegs im Landkreis Uelzen: Ein Lager fand auf dem Hof des Schülers statt
       
       HAMBURG taz | Schwarz, Weiß, Rot – die ausgewählte Farbkombination ist als
       Flagge ein politisches Bekenntnis. Noch eindeutiger bekannte sich ein
       Schüler des Lessing-Gymnasiums Uelzen beim Homeschooling über die Plattform
       „Teams“: Die Reichsflagge im Profilbild des Gymnasiasten zierte der
       Schriftzug: „150 Jahre Reichsgründung“.
       
       In einem Brief bat der 12. Jahrgang die Leitung des Gymnasiums in der
       niedersächsischen Stadt einzuschreiten. „Mit diesem Profilbild wird
       eindeutig Gedankengut vermittelt und mit dem Schriftzug sogar
       glorifiziert“, schrieb der Jahrgangssprecher. Es sei nicht der erste
       Vorfall und es müsse endlich eine Reaktion vonseiten der Schule geben. Der
       Schüler, der zu einer [1][Familie von völkischen Siedlern] gehört, habe
       gegenüber anderen offen zugegeben, dass es sich bei seinem Profilbild um
       eine wohlüberlegte Provokation handele.
       
       Die Schulleitung antwortete ebenfalls per Brief – und überraschte nicht nur
       die Schüler*innenschaft. In dem Schreiben führen Direktor Sven Kablau und
       sein Stellvertreter Dirk Wübbenhorst aus, es habe „Irritationen“ gegeben,
       „weil in einem Fall als Motiv die Tatsache gewählt wurde, dass die Gründung
       des Deutschen Kaiserreichs am 18. Januar genau 150 Jahre zurücklag“.
       
       Dazu gibt die Schulleitung die Einordnung ab, die Flagge könne kaum „als
       Ausdruck eines auf die Zukunft gerichteten Denkens“ angesehen werden, es
       könnten „stattdessen unangenehme Assoziationen“ aufkommen. Sie betonen
       jedoch, dass die Fahne kein „verbotenes Symbol“ sei, und schließen daraus:
       „Wir sind der Meinung, dass eine offene Gesellschaft Provokationen
       aushalten und Ihnen im Dialog begegnen muss.“
       
       Diese Aussage dürfte die Mitschüler*innen nicht zum weiteren Austausch
       ermutigen. Denn schon andere Provokationen ihres Mitschülers waren ohne
       Folgen geblieben. So berichten einzelne Schüler*innen, er sei mit dem
       Spruch aufgefallen, Deutschland brauche qualifizierte Arbeitskräfte und
       keine „Steineschlepper“.
       
       In der Schule trage er eine Art Sturmhaube als Gesichtsmaske – und die
       unterhalb der Nase. Auf Nachfrage der Schüler*innen reagiere er kaum
       oder schimpfe, etwa: Mitschüler*innen, die Maske tragen, seien
       „systemunterwürfig“. Der Umgang mit ihm sei schwierig, berichten
       Mitschüler*Innen, er sei überhaupt nicht zugänglich.
       
       Einige fühlen sich von ihrer Schulleitung alleingelassen und fanden ein
       öffentliches Sprachrohr über die Grüne Jugend Uelzen. Die kritisierte in
       einen offenen Brief zu dem Vorfall nicht nur den Umgang der Schulleitung
       damit, sondern auch einen Vergleich, den die Schulleitung in ihrem Brief
       angestellt hatte: Kablau und Wübbenhorst hatten geschrieben: „Würden wir
       als Schule die Verwendung der Reichsflagge als Profilbild verbieten, dann
       müssten wir alle politischen Anklänge in diesem Rahmen verbieten, z.b.
       Hinweise auf die Fridays-For-Future-Bewegung“.
       
       Michelle Bruns von der Grünen Jugend hält dagegen: „Wer meint, dass
       ‚Fridays for Future‘ und völkische Siedler gleichzusetzen sind und dann
       alle politischen Symbole zu verbieten sind, hat die Gefahren des
       Rechtsextremismus für unsere Gesellschaft nicht erkannt. Eine
       verfassungsfeindliche Gruppierung mit einer demokratischen
       Schüler*innenbewegung gleichzusetzen ist absurd.“
       
       Der Schüler aus dem extrem rechten Umfeld in der Lüneburger Heide hat wie
       seine Geschwister an Lagern und Fahrten des extrem [2][rechten Jugendbundes
       „Sturmvogel“] teilgenommen. Ein Lager fand vor wenigen Jahren sogar auf dem
       Hof seiner Familie in Masendorf statt. Uniformiert waren Kinder und
       Jugendliche durch das kleine Dorf gewandert. Die Großmutter des
       Schülers,eine bekannte NPD-Aktivistin, hatte den Jugendbund 1987
       mitgegründet. 2020 hatte der niedersächsische Verfassungsschutz erstmalig
       vor den „Sturmvogel“ gewarnt.
       
       ## Der Vater ist selbst Studienrat
       
       Der Vater des Schülers hat in der Vergangenheit an Nazi-Aufmärschen
       teilgenommen. Er ist als Studienrat im Wendland tätig. Auf dem Hof der
       Familie fanden auch Brauchtumsveranstaltungen statt, zuletzt 2020
       [3][Volkstanz unter Gleichgesinnten]. Die Schulleitung des
       Lessing-Gymnasiums wisse von dem politischen Hintergrund der Familie, sagt
       Bruns.
       
       Die Grüne Jugend geht davon aus, dass mit Paragraf 2 des Niedersächsischen
       Schulgesetzes über den demokratischen Auftrag der Schulen ein Verbot
       derartiger Reichssymbolik im Unterricht möglich wäre. Diese Einschätzung
       teilt Bianca Trogisch gegenüber der taz nicht. Die Pressesprecherin der
       Regionalen Landesämter für Schule und Bildung sieht keine strafrechtliche
       relevante Handlung. Auch der neue Erlass des Innenministeriums gegen
       Reichsfahnen greife hier nicht. Dieser Erlass würde allein Polizei und
       Verwaltungen ermöglichen, bei der öffentlichen Verwendung einzuschreiten.
       
       Vom Sekretariat der Schule erging inzwischen eine Mail an die
       Schulgemeinschaft mit dem Hinweis, dass individuelle Profilbilder auf der
       Teams-Plattform geeignet seien, „den Schulfrieden zu stören“. Diese Option
       würde deswegen nun zunächst komplett abgeschaltet. Die Schüler*innen
       wurden angeregt, Ideen einzusenden, wie die Gestaltung von Profilbildern
       „in Zukunft sinnvoll geregelt werden könne“.
       
       Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde aus rechtlichen Gründen
       geändert.
       
       17 Feb 2021
       
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