# taz.de -- Seenotrettung in Italien: Bis zu 20 Jahre Haft
       
       > 21 Seenotretter*innen stehen demnächst im sizilianischen Trapani vor
       > Gericht. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zur illegalen Einwanderung.
       
 (IMG) Bild: Seenotretter*innen der NGO „Jugend rettet“ bei einem Einsatz von Libyens Küste im September 2016
       
       ROM taz | 21 [1][Seenotretter*innen] werden sich demnächst im
       sizilianischen Trapani vor Gericht wegen Beihilfe zur illegalen
       Einwanderung verantworten müssen. Am Donnerstag teilte die dortige
       Staatsanwaltschaft mit, sie habe ihre Ermittlungen abgeschlossen – formal
       ist das der Schritt unmittelbar vor der Erhebung einer Anklage.
       
       Alle Angeschuldigten waren in den Jahren 2016-2017 auf dem Mittelmeer für
       die deutsche NGO „Jugend rettet“, für „Save the Children“ und für „Ärzte
       ohne Grenzen“ aktiv. Sie sollen bei ihren Rettungseinsätzen in direkter
       Absprache mit libyschen Schleusern agiert haben. Dafür wollen die
       ermittelnden Staatsanwältinnen Beweise haben.
       
       So sollen die Seenotretter*innen Lichtzeichen mit den
       Flüchtlingsbooten ausgetauscht haben und deren Position schon im Vorhinein
       von den Schleusern mitgeteilt bekommen haben. Zudem sollen sie nach den
       Rettungseinsätzen jenen Schleusern deren Boote samt den Schwimmwesten der
       Flüchtlinge wieder zurückgegeben haben.
       
       Die Anschuldigungen treffen alle drei Organisationen, weil sie seinerzeit
       immer wieder gemeinsam agierten: Iuventa, das kleine Schiff von „Jugend
       rettet“, barg die Flüchtlinge auf hoher See, die dann in einem zweiten
       Schritt an Bord der beiden deutlich größeren Schiffe von „Save the
       Children“ und „Ärzte ohne Grenzen“ genommen wurden.
       
       ## Dorn im Auge
       
       Diese Rettungseinsätze waren der italienischen Regierung unter dem
       damaligen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni aus der gemäßigt linken
       Partito Democratico (PD) ein Dorn im Auge. Innenminister Marco Minniti,
       auch er aus der PD, hatte im Januar 2017 ein Abkommen mit Libyen auf den
       Weg gebracht. Darin wird die libysche Regierung gegen hohe Geldzahlungen
       und Materiallieferungen mit der Flüchtlingsabwehr betraut.
       
       Lange bevor nach den Parlamentswahlen von 2018 [2][der Chef der
       ultranationalistischen und fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini],
       Innenminister in Rom wurde, hatte sich damit eine deutliche Verschärfung
       des italienischen Kurses auch gegen die im Mittelmeer aktiven NGOs
       vollzogen. Diese Kurswende fand Unterstützung von diversen
       Staatsanwaltschaften, unter anderem der von Trapani, die jetzt Anklage
       erheben will.
       
       Schon am 2. August 2017 wurde die Iuventa in den Hafen von Lampedusa
       beordert und dort beschlagnahmt. Seitdem rostet das Schiff im Hafen vor
       sich hin. Sollte das Gericht die in Kürze erwartete Anklage zulassen, dann
       drohen den Beschuldigten – zehn von ihnen stammen aus den Reihen von
       „Jugend rettet“ – bis zu 20 Jahre Haft.
       
       „Jugend rettet“ weist ihrerseits in einer Presserklärung die Vorwürfe
       komplett zurück. Die NGO habe immer unter Einhaltung der Gesetze agiert,
       erklärt sie. Der Staatsanwaltschaft gehe es einzig darum, „Solidarität zu
       kriminalisieren, und dies hat eine tödliche Konsequenz: Menschen sterben,
       auch wenn sie gerettet hätten werden können“.
       
       5 Mar 2021
       
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 (DIR) Michael Braun
       
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