# taz.de -- Spannungen zwischen den USA und China: Eisige Stimmung in Alaska
       
       > Das erste Treffen von Regierungsvertretern Pekings und Washingtons gerät
       > zum Desaster. Und gibt einen Vorgeschmack auf die nächsten Jahre.
       
 (IMG) Bild: Die Wut der Chinesen konnten die Masken nicht verdecken: Pekings Delegation beim Treffen in Alaska
       
       PEKING taz | Beide Seiten haben nicht lange gefackelt. Als US-Außenminister
       Anthony Blinken und sein Amtskollege Wang Yi im tristen Konferenzzimmer in
       Anchorage im US-Bundesstaat Alaska Platz nahmen, sollte es laut Protokoll
       eigentlich nur um eine einleitende Stellungnahme vor Journalisten gehen.
       Stattdessen flogen knapp eine Stunde lang die rhetorischen Fäuste.
       
       Blinken klapperte von Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang bis hin zu
       Hongkong die gesamte Liste an Vorwürfen ab, die Peking stets als
       „Einmischung in innere Angelegenheiten“ wertet. Wang Yi überließ es dem
       ebenfalls anwesenden Politbüro-Mitglied Yang Jiechi, scharf zu kontern.
       Jiechi wies die USA auf die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land hin.
       
       Die Wut der Chinesen war auch hinter den Gesichtsmasken nicht nur deutlich
       zu vernehmen, sondern auch zu erwarten. Sie wurzelt nicht zuletzt in Joe
       Bidens erster Sanktionsrunde, die der US-Präsident nur wenige Stunden vor
       dem ersten Treffen der zwei Regierungen verhängt hatte.
       
       Insgesamt 24 Regierungsvertreter Pekings sollen demnach aufgrund ihrer
       Hongkong-Politik vom internationalen Finanzverkehr abgeschnitten werden.
       Dabei muss allen Beteiligten von vorneherein klar gewesen sein: Einen
       solchen Gesichtsverlust würde Chinas Staatsführung nicht auf sich beruhen
       lassen.
       
       Vor laufenden Fernsehkameras wurde die Weltöffentlichkeit in Alaska Zeuge,
       wie sich ein neues globales Machtverhältnis festigt. Die Maxime des
       einstigen Wirtschaftsreformers Deng Xiaoping, nach der China seine „Stärken
       verstecken und auf den richtigen Augenblick warten“ soll, sind eindeutig
       vorüber.
       
       ## Immerhin wird miteinander geredet
       
       Die Volksrepublik sieht sich als aufstrebende Weltmacht, die mit den USA
       auf Augenhöhe debattiert. Sie kontert nicht nur Retourkutschen, sondern
       teilt auch eigenständig aus – auf diplomatischer Ebene und auch über seine
       orchestrierten Propagandamedien.
       
       Diese hatten in den letzten Tagen schon klargestellt, dass es beim Treffen
       in Alaska nicht um einen Neustart der diplomatischen Beziehungen gehen
       würde. „Wenn die USA entschlossen sind, sich auf eine Konfrontation
       einzulassen, dann wird China bis zum Ende kämpfen“, heißt es in der
       nationalistischen Global Times.
       
       Im Wirtschaftsmagazin Caixin, bekannt für seine relative Narrenfreiheit,
       schreibt Redakteur Lu Zhenhua differenzierter: „Ganz gleich, welche
       Resultate vom Alaska-Treffen kommen oder wer die US-Präsidentschaftswahlen
       2024 und 2028 gewinnen wird: Wir werden auf jeden Fall mindestens zehn
       Jahre eisige Beziehungen zwischen Peking und Washington sehen“. Es bleibe
       vor allem zu hoffen, dass es zu keinen militärischen Konflikten zwischen
       den zwei Seiten komme.
       
       Dass zumindest geredet wird, ist dennoch ein gutes Zeichen. Gesprächsstoff
       gibt es zuhauf: Wirtschaftlich möchte Peking die US-Importzölle auf
       chinesische Waren wegverhandeln. Diese wird die US-Regierung jedoch nur
       gegen deutliche Konzessionen der Chinesen wieder aufheben. Denn auch der
       amtierende US-Präsident kritisiert wie sein Vorgänger Trump die „unfairen“
       Praktiken Pekings, darunter den Diebstahl geistigen Eigentums und
       Industrie-Spionage.
       
       Für Washington sind zudem die massiven Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang
       ein zentrales Streitthema, die von Blinken bereits öffentlich als „Genozid“
       eingestuft worden sind.
       
       Auch der „Visa-Krieg“ zwischen den zwei Ländern steht auf der Agenda. Im
       letzten Jahr hat China so viele US-Korrespondenten ausgewiesen wie zuletzt
       nach der blutigen Niederschlagung der Tiananmen-Studentenbewegung 1989.
       Auch Trump hat etlichen Journalisten chinesischer Staatsmedien ihr US-Visum
       entzogen.
       
       ## China laut Umfrage größter Feind
       
       Doch mit Kompromisslösungen ist nicht zu rechnen. Derzeit bieten wohl nur
       die globale Pandemiebekämpfung und die Klimakrise genügend überschneidende
       Interessen für gemeinsame Zusammenarbeit.
       
       Die Beziehungen der zwei führenden Weltmächte sind auf einem Rekordtief.
       Laut einer Gallup-Umfrage waren sich die Amerikaner noch vor einem Jahr
       uneins darüber, ob China oder Russland der größte Feind der USA sei. Im
       Jahr 2021 jedoch steht die Volksrepublik mit 46 Prozent eindeutig an der
       Spitze dieser traurigen Statistik – doppelt so hoch wie noch ein Jahr
       zuvor.
       
       Nach dem ersten Gesprächstag in Anchorage fiel das Résumé beider Seiten
       wenig überraschend desaströs aus: „Effekthascherei“ warf Washington den
       Chinesen vor. Diese hingegen fühlten sich „herablassend im Ton“ behandelt.
       
       Die Schärfe im Ton der Diplomaten ist dabei nicht nur ans Gegenüber
       gerichtet, sondern auch ans eigene Publikum: Sowohl in den USA als auch in
       China werden die Schlagzeilen vom Alaska-Treffen die nationalistischen
       Gefühle höher schlagen lassen.
       
       19 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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