# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu Aufbaufonds: Grünes Licht für EU-Corona-Hilfen
       
       > Das BVG erlaubt Deutschland an dem 750-Milliarden-Hilfsfonds mitzuwirken.
       > AfD-Gründer Bernd Lucke ist mit seiner Klage vorerst gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Das Bundesverfassungsgericht macht den Weg für den EU-Wiederaufbaufond vorerst frei
       
       FREIBURG taz | Die EU darf 750 Milliarden Euro Schulden aufnehmen, um damit
       einen gewaltigen „Wiederaufbaufonds“ zur Linderung der Coronafolgen zu
       finanzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt einen Eilantrag von
       AfD-Gründer Bernd Lucke abgelehnt, der das verhindern wollte.
       
       Das EU-Programm trägt den schönen Namen „Next Generation EU“ und [1][soll
       die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie in den 27
       EU-Mitgliedsstaaten eindämmen]. Dabei sollen die EU-Staaten 390 Milliarden
       Euro als nicht zurückzahlbare Zuschüsse erhalten und weitere 360 Milliarden
       Euro als Darlehen. Wenn die EU auf dem Kapitalmarkt als Schuldnerin
       auftritt, können hoch verschuldete EU-Staaten wie Italien von günstigeren
       Zinsen profitieren.
       
       Das Konjunkturprogramm soll den digitalen und ökologischen Wandel der
       EU-Staaten finanzieren, aber auch Bildung und den sozialen Zusammenhalt.
       Die EU-Kommission erhofft sich einen Wachstumsimpuls von jährlich zwei
       Prozent. Die Summe von 750 Milliarden Euro soll bis 2026 an den
       Kapitalmärkten aufgenommen und bis 2058 zurückgezahlt werden.
       
       Dieser Eigenmittel-Beschluss wurde auf EU-Ebene im Dezember 2020 gefasst.
       Zustimmen müssen auch alle nationalen Parlamente. Der Bundestag votierte am
       25. März mit großer Mehrheit für den Aufbaufonds. CDU/CSU, SPD, FDP und
       Grüne stimmten dafür, die AfD stimmte dagegen, die Linke enthielt sich.
       
       ## Luckes Behauptungen verworfen
       
       Doch einen Tag später verbot das Bundesverfassungsgericht dem
       Bundespräsidenten per einstweiliger Anordnung die Unterzeichnung des
       Gesetzes. Er solle damit bis zur Entscheidung über vorliegende Eilanträge
       warten. Üblicherweise wird so etwas per Telefonanruf geklärt. Hier machte
       das Gericht [2][den Vorgang aber öffentlich].
       
       Kläger war der Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der 2013
       die AfD gegründet hatte, und heute zur Kleinpartei Konservativ-liberale
       Reformer gehört. Unterstützt wurde er von einem „Bündnis Bürgerwille“ und
       2.281 Bürger:innen. Lucke behauptete, dass die EU mit dem Wiederaufbaufonds
       ihre Kompetenzen aus den EU-Verträgen überschreite. Verletzt sei ein
       angebliches „Verschuldungsverbot“ und das „Beistandsverbot“, das eine
       Übernahme fremder Schulden ausschließt.
       
       Lucke befürchtet, dass die EU die aufgenommenen Schulden nicht zurückzahlen
       kann und dann die Mitgliedstaaten einspringen müssen – wobei letztlich
       möglicherweise allein Deutschland zahlungsbereit wäre. Dieses Risiko dürfe
       Deutschland nicht eingehen, so Lucke. Der Bundestag habe seine
       „haushaltspolitische Gesamtverantwortung“ verletzt und damit auch die
       „Verfassungsidentität“ Deutschlands, so die Verfassungsbeschwerde.
       
       Doch Karlsruhe lehnte den Eilantrag von Lucke nun schneller als erwartet
       ab. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte sich
       offensichtlich beeilt, um die Unruhe im Rest der Europäischen Union
       aufzulösen.
       
       Eine „summarische Prüfung“ der Richter:innen ergab, dass die
       Verfassungsidentität Deutschlands nicht ernsthaft gefährdet sei. Selbst
       wenn alles zusammenbricht und Deutschland die EU-Schulden ganz allein
       zurückzahlen müsste, wäre dies eine verkraftbare jährliche Summe von „rund
       21 Milliarden Euro“. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt hat derzeit ein
       Volumen von rund 500 Milliarden Euro.
       
       Auch eine „Folgenabwägung“ sprach gegen Luckes Antrag. Wenn die
       Unterschrift des Bundespräsidenten bis zum Abschluss des
       Hauptsacheverfahrens in einigen Jahren unterbleiben müsste, könne dies
       erhebliche Folgen für die EU-Wirtschaft und die deutsche Stellung in Europa
       haben. Immerhin beruhte der Wiederaufbaufonds auf einer
       deutsch-französischen Initiative.
       
       21 Apr 2021
       
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