# taz.de -- Neuauflage von Roman „Der Große Pan“: Den Hirtengott heraufbeschwören
       
       > „Der Große Pan“ war für den walisischen Schriftsteller Arthur Machen der
       > Durchbruch. Nun wurde der Klassiker des modernen Horrors neu aufgelegt.
       
 (IMG) Bild: Den Großen Pan zu sehen, hier mit Daphnis, bedeutet beim Schriftsteller Arthur Machen nichts Gutes
       
       Der [1][walisische Schriftsteller Arthur Machen, der als Vater des modernen
       Horrors gilt, ist seit dem vergangenen Jahr neu auf Deutsch] in der
       eleganten Übersetzung Joachim Kalkas zu entdecken. Ein Höhepunkt in der
       Werkausgabe des Elfenbein Verlags ist jetzt der Erzählungsband „Der Große
       Pan“. War die Titelgeschichte für Machen doch der literarische Durchbruch
       und für seinen [2][US-amerikanischen Kollegen Stephen King] immerhin die
       „beste jemals geschriebene Schauergeschichte“, der englischen Sprache
       zumindest.
       
       Dieser Superlativ gilt nicht für bloße Schockwerte, sondern auch in
       literarischer Hinsicht. Denn Machen, der eine Vorliebe für Protagonisten im
       Stil von Detektivgeschichten hatte, kreist in der Erzählung „Der Große
       Pan“, im Original „The Great God Pan“, den Schrecken und damit das
       Geheimnis seiner Erzählung in immer neuen Anläufen ein, mit einem
       verwirrend großen Personal an Hobby-Ermittlern, die von Kapitel zu Kapitel
       nach und nach vorgestellt werden. Jeder dieser distinguierten Herren
       liefert neue Hinweise, die zusammenzufügen Machen den Lesern oft selbst
       überlässt.
       
       Am Anfang des Unglücks steht ein hirnphysiologisches Experiment, das ein
       Arzt an einer Frau vornimmt. Ein kleiner Schnitt in der „grauen Masse“ soll
       genügen, um eine Brücke zu einem nicht näher benannten „Unbekannten“ zu
       schlagen. Nach der Operation stellt sich heraus, dass die Frau eine
       „hoffnungslose Idiotin“ geworden ist. Für den erschreckend unbeteiligten
       Arzt war der Eingriff dennoch kein Fehlschlag, wie er einem Freund
       gegenüber bekennt, denn die Frau habe „den Großen Pan gesehen“.
       
       Einige Zeit später kommt es in London zu einer Reihe von seltsamen
       Todesfällen. Die Opfer sind Männer, sie sterben entweder nach einem
       Nervenzusammenbruch oder begehen Suizid.
       
       ## Eine seltsame Schwere
       
       Diese Männer waren stets liiert mit schönen Frauen, und jedes Mal
       verschwindet die zugehörige Frau hinterher spurlos. Da die Verstorbenen zum
       Freundeskreis der Protagonisten zählen, machen sich diese, allesamt
       interessiert an ungewöhnlichen Dingen, auf die Suche nach Antworten.
       
       Arthur Machen streut während dieser Recherchen Details, die auf mysteriöse
       Kräfte hindeuten. So begibt sich einer der selbsternannten Ermittler,
       Villiers, in ein leerstehendes Haus, das Schauplatz einer der Tragödien
       gewesen ist, wo er eine „seltsame Schwere“ spürt, die ihm die Luft
       abschnürt.
       
       Dieses Etwas, das bei alledem sein Unwesen treibt, erfährt man schließlich,
       ist durch das fatale Experiment freigesetzt worden. Als weiteres Indiz
       führt Machen einen, real existierenden, archäologischen Fund eines
       römischen Tempels in Lydney Park an, der dem Gott Nodens gewidmet war.
       
       ## Das Grauen bleibt unaussprechlich
       
       Ironischerweise steht Machens Rückgriff auf die erst im 19. Jahrhundert als
       systematische Wissenschaft etablierte Archäologie nicht im Zeichen
       rationaler Aufklärung, sondern hilft erzählerisch beim Freilegen einer
       vormenschlichen Realität.
       
       Geschildert ist das mit kontrollierter Distanz, das Grauen bleibt
       unaussprechlich. Lediglich in der Auflösung gestattet sich Machen so etwas
       wie eine Vorform des Body Horror, bei der ein Körper drastische
       Veränderungen durchläuft.
       
       In der ebenfalls im Band enthaltenen Erzählung „Das innerste Licht“ geht
       es, formal gesehen, erneut um Gewalt gegen Frauen im Namen der
       Wissenschaft. Wieder hat ein Arzt durch sein Handeln ein Übel
       heraufbeschworen, wieder macht sich ein Protagonist daran, Spuren in dem
       mysteriösen Fall nachzugehen. Was er am Ende herausfindet, verstört ihn
       heftig.
       
       An dieser Geschichte lässt sich nebenbei Machens Einfluss auf den Pop
       ablesen: Die britische Underground-Band Current 93 betitelte eines ihrer
       stillsten Alben nach Machen „The Inmost Light“.
       
       17 May 2021
       
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