# taz.de -- Räumungsprozess gegen Kisch und Co: Fonds schmeißt Buchhändler raus
       
       > Ein Investmentfonds hat in Berlin erfolgreich gegen die Buchhandlung
       > Kisch und Co geklagt. In dem Haus sind weitere Museen und Galerien
       > bedroht.
       
 (IMG) Bild: Hier könnte bald ein Starbucks sein: Nach der Verdreifachung der Mietpreise muss Kisch & Co weichen
       
       BERLIN taz | Die beliebte Kreuzberger Buchhandlung Kisch und Co. muss
       geräumt werden. Das urteilte das Verwaltungsgericht am Donnerstagmorgen und
       gab damit der Räumungsklage des Eigentümers des Hauses in der Oranienstraße
       25 statt. Geklagt hatte der Investmentfonds Victoria Immo Properties, der
       aus einem Geflecht luxemburgischer Briefkastenfirmen besteht. Für den
       Kläger waren zwei austauschbare Rechtsanwälte aus Frankfurt am Main
       zugeschaltet. Das einzige, was sie zu der Verhandlung beitrugen, war: „Wir
       haben kein Mandat für eine gütliche Einigung.“
       
       Entsprechend fiel das Urteil am Kriminalgericht Moabit wie erwartet aus:
       Die Buchhandlung muss die Räume in der Oranienstraße verlassen und auch die
       Kosten des Verfahrens tragen. Revision ist zugelassen. Ob die Buchhändler
       davon Gebrauch machen, ist allerdings noch offen.
       
       Die Anwälte der Buchhandlung hatten noch versucht, eine Regelungslücke im
       Gewerbemietrecht geltend zu machen. Angesichts der spiralförmigen
       Preisentwicklung auf dem Berliner Immobilienmarkt müsste für Kleingewerbe
       ähnlicher Mieterschutz gelten wie für Wohnraum, argumentierten sie.
       
       Das sah das Gericht allerdings anders. Der vorsitzende Richter erklärte:
       „Mag sein, dass sich politisch betrachtet eine Regelungslücke ergibt, aber
       uns sind da die Hände gebunden.“ Entsprechend sei es bei Änderungsbedarf
       Aufgabe der Politik darauf zu reagieren. Man könne als Gericht nicht über
       die Situation im Kiez urteilen, sondern bewerte letztlich einen
       zivilrechtlichen Vertrag.
       
       ## Rendite vs. Kultur
       
       Entsprechend gab das Gericht der Räumungsklage des Investment-Fonds statt.
       Das Gebäude wurde 2019 von der Berggruen Holdings GmbH für 35,5 Millionen
       Euro an die [1][Victoria Immo Properties V] S.a.r.l. verkauft. Die
       Rechtsform ist laut Rosa-Luxemburg-Stiftung bei Investoren aufgrund ihrer
       Anonymität beliebt. Dahinter stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit die
       Erbinnen des Tetrapak-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid Rausing.
       Zweifelsfrei belegen lässt sich das mit öffentlichen Informationen ob der
       [2][fehlenden Transparenz auf dem Immobilienmarkt] allerdings nicht.
       
       Der Buchhändler Frank Mertens konnte den Prozess immerhin noch als
       Gelegenheit nutzen, um eine politische Erklärung abzugeben. Er sagte
       kämpferisch: „Wir sitzen hier, weil wir natürlich auch um unsere Existenz
       kämpfen, für den Erhalt unserer Buchhandlung und die Arbeitsplätze unserer
       tollen Mitarbeiter. Aber darüber hinaus geht es auch um den Erhalt des
       gesamten Kultur- und Sozialstandorts Oranienstraße 25.“ Denn: auch die
       weiteren Projekte in dem Haus seien bedroht. Keine Mietpartei im Haus
       könnte sich die vom neuen Eigentümer verdreifachten Mietpreise leisten.
       
       Mertens brachte den Konflikt noch einmal auf den Punkt: „Auf der einen
       Seite steht das Profitinteresse einiger steinreicher privater Spekulanten,
       die sich hinter treuhänderisch agierenden Anwälten verstecken. Auf der
       anderen Seite steht die jahrelange Arbeit von Kulturschaffenden,
       Galeristen, Museen und das Engagement der Anwohnenden.“ Das werde auf einen
       Schlag kaputt gemacht oder verdrängt. Die aus Frankfurt zugeschalteten
       Anwälte ließen die Erklärung regungslos über sich ergehen. Sie gingen gar
       nicht erst auf die erneute Aufforderung ein, einen angemessenen Mietvertrag
       anzubieten.
       
       Der Prozess fand nach polizeilicher Anordnung unter vollkommen
       [3][übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen] statt. Journalist:innen
       wurden zweimal gründlich durchsucht und durften nur Block und Stift mit in
       den Saal B129 nehmen, in dem sonst Terrorverhandlungen stattfinden. Dabei
       hatte es bisher nur friedliche Proteste um die Räumung gegeben.
       Entsprechend war im Vorfeld von unnötiger Kriminalisierung die Rede. Wegen
       der Coronapandemie durften sowieso nur wenige Gäste im Zuschauerraum Platz
       nehmen.
       
       ## Unterstützung aus der Politik
       
       Auch nach dem Räumungsurteil stellte sich Mertens kämpferisch vor die
       TV-Kamera, während im Hintergrund eine Kundgebung zur Unterstützung der
       Buchhandlung lärmte – und die klang durchaus danach, als ob dies noch lange
       nicht die letzte Kisch und Co-Demo sein würde: „Hier geht es nur noch um
       Renditeinteressen, wir brauchen eine gesetzliche Anpassung an die
       veränderte Lage“, sagte Mertens.
       
       Gegen die Verdrängung der Buchhandlung gibt es seit mehr als einem Jahr
       [4][Proteste von Anwohner:innen und Kiez-Initiativen]. Bei der Demo am
       Donnerstagmorgen harrten circa 200 Personen bei für die Jahreszeit eisigen
       Winden kämpferisch vor dem Gerichtssaal aus. Dabei half ihnen auch der
       [5][Kisch-Und-Co-Protestsong von Stereo Total], den die Band mit der
       mittlerweile verstorbenen Sängerin Françoise Cactus im vergangenen Herbst
       aufgenommen hatte.
       
       Der Kreuzberger Linken-Abgeordnete Pascal Meiser versprach nach dem Urteil
       auf der Kundgebung, sich für ein verbessertes Gewerbemietrecht einzusetzen.
       Frühere Proteste waren auch immer wieder von der Grünen Canam Bayram und
       der SPD-Abgeordneten Cansel Kiziltepe unterstützt worden.
       
       Anfang des Jahres hatten gar Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und
       Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) einen [6][Bittbrief an den Luxemburger
       Investment-Fonds] geschickt, von den überzogenen Mietpreisen abzusehen und
       ein besseres Angebot für den Buchladen vorzulegen. Ebenso gab es eine
       prominente [7][Unterstützer:innenliste zahlreicher
       Schriftsteller:innen und Kulturschaffender]. Bisher alles Vergeblich.
       
       22 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] /Kreuzberger-Buchhandlung-Kisch--Co/!5743234
 (DIR) [7] /Bedrohte-Buchhandlung-Kisch--Co/!5734923
       
       ## AUTOREN
       
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