# taz.de -- Folter an den EU-Außengrenzen: Pushbacks mit brutaler Gewalt
       
       > Schläge, Tritte, erzwungenes Ausziehen: Ein neuer Bericht dokumentiert
       > Gewalt gegen Flüchtende bei illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen.
       
 (IMG) Bild: Geflüchtete im Camp Mavrovouni auf der griechischen Insel Lesbos
       
       AMSTERDAM taz | Dass Migliedstaaten der EU Migranten an der Außengrenze mit
       [1][gesetzeswidrigen Pushbacks] zurückdrängen, ist hinlänglich bekannt.
       Auch dass Grenzbeamte dabei nicht zimperlich vorgehen, wurde mehrfach
       dokumentiert. Der Bericht, den das [2][Border Violence Monitoring Network
       (BVMN)] am heutigen Dienstag präsentiert, hat diesen Zusammenhang nun
       untersucht. Ergebnis: bei 85 Prozent der dokumentierten Zeugenaussagen kam
       es zu mindestens einer Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender
       Behandlung durch Grenzschützer.
       
       286 entsprechende Aussagen hat das Netzwerk aus 13 NGOs allein 2020 von
       Geflüchteten gesammelt. Sie betreffen meist jeweils kleine oder mittelgroße
       Gruppen. Die tatsächlichen Zahlen seien „unbestritten höher“, heißt es im
       „Annual Torture Report“. Dessen Fokus liegt auf der 2016 offiziell
       geschlossenen „Balkanroute“ samt der griechisch-türkischen Grenze. Seit
       2019 verzeichnet das BVMN dort einen starken Anstieg von Praktiken, die
       unter die UN-Anti- Folter-Konvention fallen.
       
       Das 51-seitige Dokument unterscheidet sechs Arten der Misshandlung, die in
       den Aussagen regelmäßig vorkommen. Am häufigsten ist „exzessive und
       unangemessene Gewalt“, meist Faust- oder Stockschläge und Tritte. Vermeldet
       werden auch improvisierte Waffen, der Einsatz von Polizeihunden und ein
       Lynchversuch. Zum Standard gehört ferner der Gebrauch von Stromstoßwaffen,
       der bei 362 Personen dokumentiert wird, unter anderem in Italien, Rumänien,
       Kroatien und Griechenland.
       
       Stark zugenommen hat das erzwungene Entkleiden, das Teil von 37 Prozent der
       dokumentierten Fälle ist und damit fast doppelt so häufig vorkommt wie
       2019. Auch das Verbrennen von Kleidung wird erwähnt, bevor die Betroffenen
       nackt zurück über die Grenze gezwungen wurden, und Gruppeninhaftierungen
       von bis zu 120 unbekleideten Personen. Weiter geht es um Drohungen mit
       Feuerwaffen (in 23 Prozent der Fälle), unmenschliche Behandlung in
       Hafteinrichtungen (38 Prozent) und in Polizeifahrzeugen, etwa durch
       extremes Fahrverhalten oder Einsperren ohne Heizung oder Belüftung (27
       Prozent).
       
       Besonderes Augenmerk legt der Report auf die Eintrittsländer [3][Kroatien],
       wo 2020 in 87 Prozent der dokumentierten Fälle massive Gewalt oder andere
       Misshandlung angewendet wurde, und [4][Griechenland] (89 Prozent). Dazu
       kommt ein Phänomen, das gerade in den letzten Jahren zunimmt: sogenannte
       Ketten-Pushbacks, die in Italien oder Österreich ihren Ausgang nehmen und
       über Slowenien und Kroatien bis nach [5][Bosnien] gehen. 795 Personen waren
       davon im letzten Jahr betroffen. Viele von ihren wurden unterdessen
       mehrfach Opfer von staatlicher Gewalt.
       
       „Pushbacks an sich können schon als Folter angesehen werden“, so Simon
       Campbell, Field Coordinator des BVMN, zur taz. „Umso mehr aber durch die
       konsistenten Zeugnisse, die unmenschliche und erniedrigende Behandlungen
       durch die Autoritäten der Mitgliedstaaten offenlegen.“ Schwere Kritik
       äußert der Bericht auch am Umgang der EU mit entsprechenden Vorwürfen:
       durch deren zögerliches Auftreten habe sich die Lage weiter verschlechtert.
       
       4 May 2021
       
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