# taz.de -- Theater unterm Dach digital: PMS im Theater
       
       > „Erdbeerwochen“ von Amina Gusner widmet sich der Menstruation. Trotz
       > vieler offener Erfahrungsberichte wirkt es zum Teil aus der Zeit
       > gefallen.
       
 (IMG) Bild: Inga Wolff ist frustriert. Aber nach „Erdbeerwochen“ fühlt sich die Periode auch nicht an
       
       „Ich habe gerade meine Erdbeerwochen.“ Meine Schulfreundin schaut mich mit
       hochgezogenen Augenbrauen und spöttisch verzogenem Mund an. Wir sind in der
       siebten Klasse und sie genießt es, einen Begriff zu benutzen, den ich nicht
       verstehe. Ein paar Minuten später erbarmt sie sich, ihn mir zu erklären.
       Erdbeerwochen. Das klingt nach Sommerurlaub, Kuchen im Garten, Erholung.
       Das klingt nicht nach meiner [1][monatlichen Menstruation]. Ich verwende
       den Begriff dennoch eine Weile.
       
       „Erdbeerwochen“ heißt auch das neue Theaterstück von Regisseurin und
       Schauspielerin Amina Gusner, das im [2][Onlinestream im Theater unterm
       Dach] gespielt wird. Aus zahlreichen Interviews mit menstruierenden
       Personen entstand eine Textcollage, die anders als der verschleiernde Titel
       die Menstruation mit detaillierter Offenheit thematisiert. Eine lose
       Rahmenhandlung gibt es auch: Drei Schauspielerinnen (Nina Kronjäger, Lea
       Sophie Geier und Inga Wolff) befinden sich in Hochzeitsvorbereitungen.
       
       Eine will vermutlich heiraten, eine betrinkt sich, eine ist sexuell
       frustriert. Während geschminkt, getanzt und gefilmt wird, ist reichlich
       Zeit für Monologe über das „Frausein“.
       
       Als Folge dessen summiert das Stück eine Vielzahl an Themen: Herzschmerz,
       sexualisierte Gewalt, Ablehnung, Körperfixierung, Kind und Karriere,
       Wechseljahre und natürlich alles rund um die Menstruation: PMS, Gerüche,
       Scham, (kein) Sex während der Tage, Kopfschmerzen. Stopp. Hat mal jemand
       eine Tablette? Und wo ist meine Wärmflasche?
       
       ## Spannende geschichtliche Bezüge gehen unter
       
       Wenn einem Periodenschmerzen derart dramatisch wie an diesem Abend entgegen
       geschrien werden, erfolgt instinktiv der Griff an den Unterleib. Schreien,
       Heulen und viele repetitive Sätze bestimmen das Stück. Es ist schade, dass
       ausgerechnet spannendere geschichtliche Bezüge lallend untergehen.
       
       Gut zu hören sind hingegen Phrasen wie: „Es ist möglich, Karriere zu
       machen, auch wenn du ein Kind hast“, oder auch: „Die Ehe hat nichts mit
       Liebe zu tun.“ So taugt der Stücktext zwar zur abermaligen Reflexion
       bekannter Sexismen, irrationalen Ansprüchen an das eigene Selbst und von
       erlernten Geschlechterrollen. Aber kaum etwas überrascht.
       
       Aus diesem Grund ist der reduzierte Blick des Stückes so auffällig: Der
       Blick auf die Periode ist ein privilegierter, mit der Grundannahme von
       ausreichend Hygienemöglichkeiten und häuslicher Sicherheit. Auch verwundert
       die Verengung des Stücks auf Frauen und Mädchen und fühlt sich durch das
       implizite zweigeteilte Geschlechtersystem ein wenig aus der Zeit gefallen
       an. Nicht jede Person, die monatlich blutet, ist eine Frau. Nicht jede
       [3][Frau blutet monatlich]. Dass auch Personen, die trans oder nichtbinär
       sind, eine Menstruation haben können, findet keinen Eingang.
       
       ## Der Grundtenor bleibt negativ
       
       Auch bleibt der Grundtenor über die Periode negativ. Keine Beachtung findet
       der zunehmende Wechsel zum schambefreiten und bestärkenden Austausch
       zwischen Freund*innen und Partner*innen über die Periode. Dabei wäre
       doch gerade, wenn offen über Blut, Schweiß und Krämpfe gesprochen wird,
       Raum für freundschaftliche Solidarität.
       
       Stattdessen wird aneinander vorbeigeredet, der Bauch gezwickt und als
       Kritik der sexistische Blick bemüht: „Na klar bist du eine richtige Frau.
       Du hast eine viel zu hohe Stimme, du jammerst und beschwerst dich die ganze
       Zeit, hast einen Putzfimmel, machst dich klein, bist unsicher und fühlst
       dich ungenügend.“
       
       Schön wird das Stück in den Tanzszenen und dann, wenn die Schauspielerinnen
       – alle drei mimisch und körperlich ausdrucksstark und leidend in
       Periodenoutfit mit grauer Jogginghose und hochgebundenen Haaren –
       selbstironisch auf die Metaebene gehen. Das viele eigene Schreien und
       Theater in der Pandemie werden mokiert. Mit wenigen Mitteln wurde mit
       verschiedenen Kameraperspektiven, weißen Tüchern und Spiegeln auch ein
       stimmiges Bühnenbild kreiert.
       
       Das inhaltlich weder Szenen über Influencer-Schönheits-OPs noch [4][Dialoge
       über Geschlechterstereotype] überraschen, kann ja auch etwas Gutes
       bedeuten: Es sind Themen, die in den letzten Jahren offener besprochen
       wurden. Das war auch höchste Zeit.
       
       25 May 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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