# taz.de -- HTML-Erfinder Tim Berners-Lee: Der Geek mit den guten Absichten
       
       > Tim Berners-Lee wollte eigentlich nur, dass alle im Kernforschungzentrum
       > CERN aufs Telefonbuch zugreifen können. Das Ergebnis: Die Erfindung von
       > HTML.
       
 (IMG) Bild: Heute ist der 66-Jährige Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
       
       BERLIN taz | Im Schweizer Kernforschungszentrum CERN arbeiteten die
       Wissenschaftler Anfang der 90er Jahre an unterschiedlichen Computertypen.
       Aber egal ob sie an einem PC, einem Apple oder einem NEXT-Computer saßen –
       alle wollten auf das hausinterne Verzeichnis von Durchwahlen zugreifen, das
       auf einem uralten Zentralrechner gespeichert war. Der Administrator der
       Maschine musste die Programme für die verschiedenen Computermodelle dauernd
       überarbeiten.
       
       Tim Berners-Lee sah seine Chance: Er schlug vor, die Telefondaten im
       HTML-Format auf einem Server zu speichern und dafür einen „Browser“ zu
       schreiben, der auf allen Rechnern lief. HTML ist die „Hypertext Markup
       Language“, in der noch heute so gut wie alle Webseiten im Netz geschrieben
       werden. Der britische Physiker mit dem Faible fürs Programmieren hatte dem
       Verwalter des CERN-Telefonbuchs also letztlich ein winziges World Wide Web
       untergejubelt. Der Rest ist Geschichte.
       
       Sein neues Verfahren, Informationen im Internet zugänglich zu machen,
       verbreitete sich erst am CERN, dann im übrigen Netz mit atemberaubender
       Geschwindigkeit. Am CERN nutzte man das Web, um Forschungsergebnisse zu
       teilen. Aber bald lockte die Technologie auch die ersten Nutzer an, die
       nichts mit Wissenschaft zu tun hatten: Im Dezember 1990 richtete Tim
       Berners-Lee den ersten Webserver mit der Adresse info.cern.ch ein. Im Juli
       1994 gründete Jeff Bezos [1][Amazon].
       
       Gegen diese kommerzielle Nutzung des Netzes hatte Berners-Lee keine
       Einwände. Er selbst sorgte zwar dafür, dass seine Erfindung patentfrei
       blieb und jeder sie umsonst verwenden konnte. Denn es ging ihm vor allem
       darum, über das Web alles mit allem zu verbinden: Telefonbücher mit
       Nutzern, Nutzer mit anderen Nutzern, Informationen mit Dingen, Waren mit
       Kunden. Das ist ihm gelungen.
       
       ## Quellcode für World Wide Web bei Sotheby’s zu erstehen
       
       Heute ist der 66-Jährige Professor am Massachusetts Institute of Technology
       (MIT) und an der Universität Oxford und wurde wegen seiner
       wissenschaftlichen Leistung 2004 zum Sir geadelt. Dabei ist er im Grunde
       immer der Geek mit den guten Absichten geblieben, den man wirklich gerne
       verstehen würde, wenn er nur nicht so nuschelte.
       
       Das Londoner Auktionshaus Sotheby’s bietet Tim Berners-Lees Quellcode für
       das [2][World Wide Web] als Non-fungible Token (NFT) jetzt zum Kauf an; der
       Erlös soll für einen guten Zweck gespendet werden. NFTs sind eine
       kryptografische Methode, um die Originalität eines digitalen Objekts – das
       technisch unendlich kopierbar ist – zu bestätigen. In den letzten Monaten
       haben Künstler NFT-Zertifikate für Millionensummen verkauft.
       
       Berners-Lee verteidigt sich gegen Kritik: „Ich verkaufe ja nicht das Web –
       niemand wird in Zukunft Geld bezahlen müssen, um Links zu folgen.“ Aber
       musste er wirklich ins hochspekulative NFT-Geschäft einsteigen? Schließlich
       hat er doch selbst eine Methode erfunden, jedes digitale Objekt einmalig zu
       machen: durch seine Internetadresse, die es im ganzen Netz immer nur ein
       einziges Mal geben kann.
       
       24 Jun 2021
       
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