# taz.de -- Umstrittene „Islamlandkarten“: Selbsternannte Islam-Kenner*innen
       
       > In Österreich und Deutschland gibt es jetzt „Islamlandkarten“. Es
       > offenbart: Wer Muslim*innen kritisiert, wird zur Expert*in erkoren.
       
 (IMG) Bild: „Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber hat das Onlineprojekt „Moscheepedia“ gestartet
       
       Die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab präsentierte vor
       drei Wochen im Zuge der Arbeit der Dokumentationsstelle Politischer Islam
       [1][eine „Islamlandkarte“], auf der muslimische Organisationen und Moscheen
       online mit Namen und Adressen abrufbar sind.
       
       Die Islamlandkarte ist nicht neu, im Kontext der Dokustelle, die 2020 von
       der Regierung eingerichtet wurde, um Extremismus zu bekämpfen, gewinnt sie
       aber eine neue Bedeutung – völlig harmlose Vereine werden mit
       problematischen vermischt. Nach der Präsentation hatte die rechtsextreme
       Identitäre Bewegung Warnschilder mit der Aufschrift „Achtung! Politischer
       Islam in deiner Nähe“ vor mehreren muslimischen Einrichtungen angebracht.
       
       Auch in Deutschland gibt es eine solche Landkarte:
       „[2][Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber] hat im April das
       Onlineprojekt „Moscheepedia“ gestartet. In dem Verzeichnis werden
       Gebetshäuser katalogisiert. Doch wie kommt ein Journalist der
       Öffentlich-Rechtlichen ohne muslimischen Bezug auf so eine Idee? Schreiber
       spricht Arabisch und hat zwei Bücher über Muslim*innen geschrieben.
       Seitdem gilt er als Islamexperte, auch wenn viele
       Wissenschaftler*innen und Muslim*innen seine Bücher kritisieren.
       
       Johanna Pink, Professorin für Islamwissenschaft an der Uni-Freiburg,
       schrieb nach der Veröffentlichung von „Inside Islam“ einen offenen Brief an
       die ARD-Chefredakteure: Der Moscheereport sei laut Pink verzerrend,
       einseitig und fehlerhaft: „Ein kleiner Recherchefehler in solch einem
       Zusammenhang kann Existenzen bedrohen, bis hin zu verweigerter Einbürgerung
       aufgrund der Mitgliedschaft in bestimmten Moscheevereinen.“
       
       ## Kaum jemand wird nachforschen
       
       Das ist so eine Sache mit den Islamexpert*innen: Jede*r kann eine*r
       werden. Einzige Voraussetzung: Man äußert Kritik an Muslim*innen, die sich
       die Mehrheitsgesellschaft sowieso schon immer dachte, unterlegt sie mit
       Anekdoten, die den Anschein erwecken, sie würden auf alle Muslim*innen
       zutreffen, um in einem Nebensatz zu erwähnen, dass man selbstverständlich
       nicht alle Muslim*innen unter Generalverdacht stellen wolle.
       
       Unter Muslim*innen im deutschsprachigen Raum hat sich längst
       rumgesprochen: Wenn du in Talkshows sitzen, Interviewanfragen, einen
       Kolumnenplatz oder einen Buchvertrag haben willst, musst du den Islam und
       seine Anhänger*innen lautstark kritisieren.
       
       Die Mehrheitsgesellschaft liebt Geschichten von Aussteiger*innen, die von
       ihrer Familie unterdrückt wurden und das jetzt auf die gesamte muslimische
       Community übertragen. Sie begnügt sich aber auch mit Menschen, die ein paar
       Einrichtungen und „Communitys“ beobachtet haben. Kaum jemand wird
       nachforschen, ob das wirklich zutrifft, die andere Seite befragen und zu
       Wort kommen lassen. Was bei Expert*innen in anderen Fachgebieten
       undenkbar wäre, bringt selbsternannten Islamexpert*innen
       Talkshow-Einladungen auf Lebenszeit.
       
       14 Jun 2021
       
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