# taz.de -- Rassismus im Fußball: Nur gefeiert bei guter Leistung
       
       > Unsere Autorin interessiert sich nicht für Fußball. Trotzdem hoffte sie
       > immer, aus Angst vor Pöbeleien, dass die Schwarzen Spieler gut spielen
       > würden.
       
 (IMG) Bild: Ende des Sommermärchens 2006 – Gerald Asamoah tröstet David Odonkor
       
       Ich habe eine komplizierte Beziehung zu Fußball. An dem Tag, an dem ich
       geboren wurde, spielte die kamerunische Mannschaft Canon de Yaoundé gegen
       die ruandische Mannschaft Rayon Sport in Kigali. Es war ein heißer Sonntag
       und mein Onkel wollte meinen Vater abholen, um das Spiel im Stadion
       anzuschauen. Ich machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Das einzige
       Mal in meinem Leben kam ich überpünktlich.
       
       Um 14.15 Uhr wurde ich geboren, meine Mutter war keine zwei Stunden im
       Krankenhaus. Fußball: 0, Anna: 1. In den frühen 90ern fand ich Fußball
       dermaßen langweilig, dass ich für ein paar Jahre schlicht vergaß, dass es
       den Sport überhaupt gibt. Mein Herz gehörte Basketball und ich ging zu
       jedem Spiel meines Vaters.
       
       Im Jahr 2006 machte ich meinen Führerschein und kellnerte seit einiger Zeit
       in verschiedenen Kneipen zwischen Neukirchen-Vluyn, Moers und Duisburg. Ich
       hatte genug grölende und rassistische Fußballfans erlebt, dass ich mir
       wünschte, ich könnte wie früher die Existenz des Fußballs einfach
       vergessen. Gleichzeitig liebte ich Gerald Asamoah und Schalke. Weil mein
       Stiefvater Schalke und Asamoah liebte. In David Odonkor war ich – wie alle
       meine Freundinnen – verknallt. In Moers erzählte man sich, dass Kevin
       Kurányi dort eine Villa hätte. Ansonsten interessierte ich mich nicht
       weiter für Fußball.
       
       Dann kam das Sommermärchen: Deutschlandtrikots waren fast überall
       ausverkauft, an allen Autos flatterten Fahnen. An den Tagen, an denen
       Deutschland spielte, vermied ich es, in bestimmten Kneipen zu arbeiten.
       [1][Aus Angst vor Pöbeleien, falls Deutschland gegen eine Mannschaft mit
       vielen Schwarzen Spielern] verlieren sollte. Trotzdem ließ ich mir die
       Stimmung nicht vermiesen und wollte mit meinen Freund*innen feiern: An
       meinen freien Tagen schaute ich mit ihnen Spiele im Garten ihrer Eltern.
       Wir grillten, aßen Knoblauchbrot und trugen die deutschen Trikots.
       
       Und jedes Mal hoffte ich inständig, dass die Schwarzen Nationalspieler
       entscheidende Tore schießen würden oder zumindest nicht schlecht spielen,
       [2][damit wir nicht in Ungnade fielen.] Ich hatte damals wie auch heute
       wenig mit Odonkor, Asamoah oder Kurányi gemeinsam.
       
       Trotzdem fühlte ich mich ihnen während der Spiele näher als meinen
       Freund*innen, mit denen ich Kartoffelsalat und Nackensteak teilte. Meine
       Angst, was passieren würde, wenn einer der Schwarzen Spieler nicht gut
       spielt, war leicht mit Leidenschaft zu verwechseln. „Bitte, bitte, ich
       hoffe, dass sie gut spielen“, sagte ich mir die ganze Zeit. Ich wollte mir
       nicht ausmalen, was passieren würde, wenn nicht.
       
       Ich kann mich nicht daran erinnern, ob es 2006 Elfmeterschießen gab, wie
       [3][neulich beim EM 2020 Finalspiel England gegen Italien]. Aber an das
       beschissene Gefühl, dass unsere Menschlichkeit immer wieder von unserer
       (übermenschlichen) Leistung abhängt, erinnere ich mich 15 Jahre später noch
       sehr gut.
       
       13 Jul 2021
       
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