# taz.de -- Machtübernahme in Afghanistan: China auf Kuschelkurs mit Taliban
       
       > Für China sind die militanten Taliban-Islamisten ein Sicherheitsrisiko.
       > Umso mehr versucht die Führung in Peking, sie frühzeitig an sich zu
       > binden.
       
 (IMG) Bild: Chinas Außenminister Wang Yi traf Mullahn Abdul Ghana Baradan, Politik-Chef der Taliban im Juli
       
       PEKING taz | Für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich rasch hat Peking die
       neuen politischen Gegebenheiten in Afghanistan anerkannt. „Wir respektieren
       die Entscheidung des afghanischen Volkes“, verkündete die Sprecherin des
       Pekinger Außenministeriums Hua Chunying am Montagnachmittag. Ihre Worte
       klingen, als hätte es in Kabul einen Urnengang gegeben.
       
       Diese Botschaft an [1][die neuen Machthaber in Afghanistan] ist Kalkül:
       Denn für China steht bei dem Machtwechsel in Kabul sehr viel auf dem Spiel
       – allen voran sicherheitspolitisch, aber auch wirtschaftlich.
       
       Die Staatsmedien kommentierten die Geschehnisse am Montag schadenfroh: Die
       nationalistische Global Times behauptete, dass die USA nun endgültig auf
       dem „Friedhof der Weltmächte gelandet“ seien. Die Volkszeitung,
       Propagandaorgan der Kommunistischen Partei, befand, dass die Afghanen von
       den Amerikanern „wie Müll entsorgt“ wurden. Und die sonst auf Zurückhaltung
       bedachte Nachrichtenagentur Xinhua schrieb auf Twitter vom „bombenwerfenden
       Uncle Sam“.
       
       Dabei ist den Parteikadern im Pekinger Regierungssitz Zhongnanhai sicher
       nicht zu Lachen zumute. Für China stellt die Machtübernahme der Taliban ein
       großes Risiko dar. Beide Länder teilen eine 76 Kilometer lange Grenze, die
       entlang der muslimisch geprägten Krisenprovinz Xinjiang verläuft; dort
       also, wo China [2][Hunderttausende Uiguren in politischen Umerziehungs- und
       Straflagern] interniert hat. Es wäre ein Super-GAU für die Volksrepublik,
       wenn militante Anhänger der Uiguren nun in Afghanistan Schutz finden
       würden, um aus dem Exil eine Widerstandsbewegung zu organisieren.
       
       ## Insgeheim misstraut Peking den Taliban
       
       Dementsprechend früh und präventiv rollte Peking den Islamisten den
       diplomatischen roten Teppich aus. Bereits am 28. Juli traf Außenminister
       Wang Yi in der Küstenstadt Tianjin eine neunköpfige Delegation der
       Taliban. Das scheint sich bislang auszuzahlen. Die Taliban haben
       versprochen, sich nicht in innere Angelegenheiten Chinas einmischen zu
       wollen.
       
       Insgeheim jedoch misstraut die Staatsführung den Taliban sehr wohl. Im Juli
       etwa wurden neun Chinesen Opfer eines Selbstmordanschlags in Pakistan, der
       laut Angaben von Islamabad von pakistanischen Taliban aus Afghanistan
       heraus geplant wurde.
       
       Insofern ist Peking durchaus hin- und hergerissen: Insbesondere die
       rhetorisch aggressiveren Diplomaten in China wollen, dass die neue
       Weltmacht China das von den USA hinterlassene Vakuum füllt. Die
       Realpolitiker hingegen sehen die Gefahren, die eine zunehmende Einmischung
       in die Geopolitik abseits der eigenen Grenzen birgt.
       
       Zugleich ist die ölreiche Region in Zentralasien auch ökonomisch sehr
       wichtig für China, allein aufgrund des massiven Energiebedarf. Bereits am
       Sonntag spekulierte die Global Times, wie die heimischen Staatsunternehmen
       beim Wiederaufbau des kriselnden Afghanistans profitieren könnten.
       
       16 Aug 2021
       
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