# taz.de -- Covid-Ausbrüche in Schlachthöfen: Fleisch immer noch viral
       
       > Die Zustände in den Schlachtfabriken und Unterkünften führen erneut zu
       > Covid-Ausbrüchen. Betroffen sind Höfe in Georgsmarienhütte und
       > Westerstede.
       
 (IMG) Bild: Seit Januar gibt es ein neues Gesetz für Schlachtbetriebe wie diesen in Sachsen. Aber hilft's?
       
       HAMBURG taz | Eigentlich sollte doch alles ganz anders werden – doch nun
       ist schon wieder auf zwei Schlachthöfen in Norddeutschland das Coronavirus
       ausgebrochen. Mehrere Hundert Angestellte sind in Quarantäne. Die meisten
       kommen aus osteuropäischen Ländern. Dabei hatte die Bundesregierung im
       Januar [1][ein neues Gesetz für Fleischbetriebe] beschlossen. Arbeitgeber
       dürfen keine Subunternehmer mehr zwischen sich und ihre Angestellten
       schalten. Das sollte mehr Kontrolle bringen – so zumindest der Plan.
       
       In Georgsmarienhütte, beim Schweineschlachthof der Firma Steinemann
       Holding, sind 127 Arbeiter*innen infiziert. Doch beim Wie und Warum des
       Infektionsherdes gehen die Meinungen auseinander.
       
       Geschäftsführer Andreas Steinemann sagt gegenüber der taz, ein Mitarbeiter
       sei nach einem Heimaturlaub zur Arbeit gekommen und nach dem üblichen
       Verfahren des Unternehmens getestet worden – mit positivem Ergebnis.
       Daraufhin habe man den Mann nach Hause geschickt. Das war am 24. August.
       Einige Tage später, sagt Steinemann, habe sich in der Fabrik
       herumgesprochen, dass der Betroffene nicht in Quarantäne sei. Das
       zuständige Gesundheitsamt Steinfurt habe sie nicht angeordnet. In dieser
       Zeit habe der Mann andere angesteckt.
       
       Das Gesundheitsamt Steinfurt schildert die Lage anders. Dessen Sprecherin
       Kirsten Weßling sagt, dass das Gesundheitsamt Steinfurt nicht von einem
       einzigen Fall erfahren habe, sondern von mehreren auf einmal. Eine
       Quarantäne-Anordnung hätte man nicht aussprechen müssen. Wer mit einem
       Schnelltest positiv getestet werde, müsse sowieso in Quarantäne, zumindest,
       bis ein negatives PCR-Testergebnis da ist.
       
       Egal, welchen Weg der Mann nach der Arbeit genommen hat, die Fakten
       bleiben: 127 Infizierte und unbewegte Produktionsbänder, denn der Betrieb
       in Georgsmarienhütte ist bis mindestens Anfang Oktober eingestellt. „Das
       ist ein riesiger wirtschaftlicher Verlust“, sagt Andreas Steinmann der taz.
       
       In Westerstede brach das Coronavirus in der vergangenen Woche auf einem
       Geflügelschlachthof aus. Dort sind 40 Arbeiter*innen infiziert. Der
       Geschäftsführer des Unternehmens „Frisch-Geflügel Claus“ möchte sich dazu
       nicht äußern. Er habe schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht, sagt er
       der taz. Die Infektionszahlen seien über drei Wochen zustande gekommen und
       nicht erst in den letzten Tagen, die Lokalpresse habe in ihrer
       Berichterstattung Zahlen verdreht und gelogen.
       
       Als Erklärung, wie sich das Virus so schnell ausbreiten konnte, kommen zwei
       Infektionsherde infrage: Der Arbeitsplatz mit möglicherweise mangelhaftem
       Infektionsschutz und die Unterkünfte der Angestellten.
       
       Am Arbeitsplatz, sagt Steinemann, seien die Schutzmaßnahmen eingehalten
       worden. Einmal pro Woche müsse die Belegschaft einen PCR-Test machen.
       Schnelltests würden stichprobenartig gemacht und ebenfalls jedes Mal, wenn
       externe Arbeitskräfte ins Unternehmen kämen oder Arbeiter*innen aus dem
       Urlaub zurückkehrten. Sprecher*innen der Landkreise Osnabrück und
       Steinfurt bestätigten das. Und auch in Westerstede sei genug getestet
       worden, teilt die dortige Behörde mit.
       
       Wahrscheinlicher ist also, dass sich die Betroffenen in ihrer Unterkunft
       infiziert haben. Die meisten Arbeiter*innen der Schweineschlachtung
       Steinemann wohnen in Lengerich. Dort stellt die Firma Wohnhäuser und
       Unterkünfte zur Verfügung, die von einer Betreiberfirma verwaltet werden.
       
       In ganz Lengerich sind das acht verschiedene Unterkünfte, sagt Ludger
       Dierkes, Sprecher der Stadt. „Dort herrschen ganz unterschiedliche
       Zustände“, sagt er, „aber wir haben im letzten Jahr kontrolliert, dass die
       nicht überbelegt sind.“ In einigen Unterkünften gebe es Einzelzimmer, in
       anderen nicht. Kinder würden dort nicht leben.
       
       ## Totale Abhängigkeit vom Arbeitgeber
       
       Der Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ setzt sich in Lengerich dafür
       ein, dass die Arbeiter*innen vor Ort besser integriert werden. Dessen
       Vorstandsmitglied Hermann Lütkeschümer sagt über die Zustände dort: „Es ist
       erbärmlich, total erbärmlich.“ Das gravierendste Problem sei das
       Mietverhältnis zum Arbeitgeber. „Die Mieter sind total abhängig vom
       Arbeitgeber.“ Oft würden die Kosten für das Wohnen direkt vom Lohn
       abgezogen, sagt Lütkeschümer. So hätten die Bewohner*innen wahnsinnige
       Angst, ihren Job zu verlieren, weil daran auch ihre Wohnung hängt. Nur
       wenige würden sich überhaupt trauen, mit dem Verein zu reden. Das
       verhindere ihre Integration.
       
       Auf die Frage, ob der Corona-Ausbruch ein direktes Ergebnis dieser
       Lebensverhältnisse sei, sagt Lütkeschürmer: „Ja. Das muss man so
       entschieden sagen.“
       
       17 Sep 2021
       
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