# taz.de -- EuGH-Generalanwalt zu Abgasskandal: „Thermofenster“ wohl unzulässig
       
       > Der EuGH-Generalanwalt hält temperaturbedingte Einschränkungen der
       > Abgasreinigung von Autos für illegal. Das Gericht dürfte ihm folgen.
       
 (IMG) Bild: Schnee auf VW-Symbol
       
       FREIBURG taz | Wenn die Abgasreinigung von Diesel-PKW nur bei bestimmten
       Temperaturen richtig funktioniert, verstößt dies grundsätzlich gegen
       EU-Recht. Solche „Thermofenster“, die viele PKW-Hersteller einsetzen, seien
       im Prinzip illegal, erklärte jetzt Generalanwalt Athanasios Rantos in einem
       Gutachten für den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
       
       Konkret ging es um drei VW-Fahrzeuge aus Österreich. Nach Ansicht der
       Eigentümer sind sie mangelhaft, weil der Hersteller die Wirkung der
       Abgasreinigung mit Hilfe einer Thermofenster-Software reduziert.
       
       In einem Fall hatte der Eigentümer einen VW Touran im Jahr 2013 gekauft.
       Damals funktionierte die Abgasreinigung wegen der VW-Betrugssoftware fast
       nur auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb. 2015 flog der
       Betrug auf („[1][Diesel-Skandal]“) und das deutsche Kraftfahrbundesamt
       (KBA) ordnete eine Nachbesserung an. VW stattete die Diesel-PKW nun mit
       einer neuen Software aus, die aber dazu führt, dass die Abgasreinigung nur
       bei bestimmten Temperaturen richtig funktioniert. Das KBA in Flensburg hält
       dies für zulässig.
       
       Nach Feststellung der österreichischen Gerichte funktioniert die
       Abgasreinigung bei den betroffenen VW-Diesel-PKW nur bei einer Temperatur
       von 15 bis 33 Grad Celsius. Jenseits dieses Fensters verliert die Reinigung
       im Verlauf von jeweils 10 Grad so stark an Wirkung, dass unter 5 Grad und
       über 43 Grad Celsius fast keine Reinigungsleistung mehr besteht. Bei den
       üblichen Temperaturen in Mitteleuropa funktioniert die Abgasreinigung bei
       VW-Diesel-PKW also nur selten vollwertig.
       
       Der unabhängige Generalanwalt Rantos bereitet mit seinen Schlussanträgen
       das EuGH-Urteil vor.
       
       Laut der EU-Verordnung von 2007 über die PKW-Typgenehmigung sind
       „Abschalteinrichtungen“, die die Wirkung der Abgasreinigung
       beeinträchtigen, unzulässig – es sei denn die Einschränkung ist „notwendig,
       um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren
       Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.“ Auf diese Ausnahmen berief sich
       VW.
       
       Doch Generalanwalt Rantos wies diese Argumentation zurück. Es genüge nicht,
       dass VW das Abgasreinigungs-Ventil (AGR-Ventil) vor Verschmutzung und
       Beschädigung schützen wolle, denn das AGR-Ventil sei kein Teil des Motors.
       Auch die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors sei keine
       „Beschädigung“ im Sinne der EU-Verordnung. So etwas gehöre zum normalen
       Betrieb dazu.
       
       Gelten lassen würde Rantos nur konkrete Gefahren, die entstehen, wenn sich
       eine Fehlfunktion des AGR-Ventils „abrupt“ auf den Betrieb des Motors
       selbst auswirkt und dies nicht durch regelmäßige Wartung verhindert werden
       kann. VW hatte angegeben, dass es zu Motor- und Fahrzeugbränden kommen
       könne, wenn die Abgasreinigung bei hohen oder niedrigen Temperaturen nicht
       reduziert und abgeschaltet wird. Auch ein Motorausfall bei einem
       Überholmanöver sei gefährlich.
       
       Vermutlich wird der EuGH in einigen Wochen dem Generalanwalt folgen. Dann
       müsste das Kraftfahrbundesamt prüfen, ob sich die von VW behaupteten
       Probleme durch regelmäßige Wartung des AGR-Ventils verhindern lassen. Wenn
       ja, muss das KBA im nächsten Schritt von VW eine erneute Nachrüstung seiner
       Diesel-PKW verlangen, damit die Abgasreinigung künftig ständig voll
       funktioniert. Laut der Deutschen Umwelthilfe wären in Deutschland rund 10
       Millionen Diesel-PKW betroffen.
       
       23 Sep 2021
       
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