# taz.de -- Abschiebungen nach Haiti: Biden im Sturzflug
       
       > Der US-Präsident verliert an Rückhalt. Nun verweigert er trotz seines
       > Versprechens, eine veränderte Asylpolitik einzuleiten, Tausenden die
       > Aufnahme.
       
 (IMG) Bild: US-Präsident Biden zeigt kein Mitgefühl für die Menschen in Not
       
       Die Haitianer, die in Del Rio in Texas angekommen sind, stammen aus einem
       Land, in dem gerade der [1][Präsident ermordet] worden ist. Das vor wenigen
       Wochen von dem zweiten [2][schweren Erdbeben] binnen eines Jahrzehnts
       erschüttert wurde und wo die ökonomische und soziale Lage katastrophal ist.
       Für die US-Regierung wäre ihre Ankunft, die einem kollektiven Hilfeschrei
       gleichkommt, eine Gelegenheit zu zeigen, dass sie es ernst meint mit ihren
       Absichtserklärungen, [3][eine andere Asylpolitik], eine andere Außenpolitik
       und eine andere Grenzpolitik zu machen.
       
       Doch Joe Biden hat anders entschieden. Nach tagelanger weitgehender
       Untätigkeit gegenüber den Neuankömmlingen aus dem ärmsten Land der
       westlichen Hemisphäre hat er sich für Härte entschieden. Am Sonntag will er
       mit Massenabschiebungen nach Haiti beginnen. Natürlich hat eine kleine
       Grenzstadt wie Del Rio keine Kapazitäten, um 14.000 unerwartete und
       papierlose MigrantInnen aufzunehmen.
       
       Und natürlich ist es inakzeptabel, dass tausende Menschen – darunter
       Kinder, Alte und Kranke – [4][Zuflucht unter einer Brücke] suchen. Dabei
       wäre es ein Leichtes gewesen, diese Situation zu vermeiden. Die Regierung
       in Washington hätte schon vor Tagen, als klar wurde, dass tausende
       HaitianerInnen unterwegs nach Del Rio sind, ihr Personal vor Ort aufstocken
       müssen, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen und um ihre Asylanträge
       zu registrieren, um sie medizinisch zu betreuen – auch mit Coronatestungen
       – und um sie auf andere Orte der USA zu verteilen.
       
       Der logische nächste Schritt wäre es, jeden einzelnen Asylantrag zu prüfen.
       Im Falle von negativen Entscheidungen bliebe noch immer die Möglichkeit
       vorübergehender Duldungen. Auch die Suche nach gemeinsamen Lösungen mit
       anderen reichen Ländern in Nordamerika und Europa wären denkbare Wege. Vor
       allen Dingen aber hätte der US-Präsident in die Offensive gehen können, um
       seinen Landsleuten zu erklären, dass ihr Land eine historische
       Verpflichtung gegenüber Haiti hat.
       
       All das hätte politischen Mut verlangt. Biden hat in den zurückliegenden
       Monaten solchen Mut bewiesen. Aber jetzt sieht es aus, als würde er ihm
       abgehen. Sein Höhenflug ist vorbei. Dafür haben das Chaos beim Abzug aus
       Afghanistan und die neue Pandemiewelle in den USA gesorgt. Das Ende von
       Bidens Popularität trifft zusammen mit verstärkten Offensiven der
       Republikaner.
       
       Die testen gerade aus, ob sie mit den Themen [5][Afghanistan] und
       Einwanderung die Mehrheit im Kongress bei den Halbzeitwahlen im Herbst 2022
       erreichen können. Tragischerweise greift Biden in seiner bedrängten Lage
       nach einem Mittel, mit dem auch sein Vorgänger Wahlkampf gemacht hat: dem
       Prinzip Abschreckung. Trump hat ganze Familien mit Kindern hinter Gitter
       gebracht, um Mittelamerikaner von einer Flucht in die USA abzuhalten.
       
       Jetzt will Biden Menschen ohne Prüfung ihrer Asylanträge abschieben, um
       andere HaitianerInnen von einer Flucht nach Florida und Texas abzuhalten.
       Unter den Hunderttausenden von undokumentierten Neuankömmlingen dieses
       Spätsommers an der Südgrenze der USA, sind die HaitianerInnen nur eine
       verschwindend kleine Minderheit. Ihre Aufnahme würde das reichste Land des
       Planeten nicht in die Knie zwingen.
       
       Aber dem moralischen Ansehen der Demokraten werden die geplanten
       Massenabschiebungen Schaden zufügen.
       
       19 Sep 2021
       
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