# taz.de -- Indiskretion und Wagenplatz: Fackeln im Dolchstoß
       
       > Beim Bundeszapfenstreich wird der Bundesjogi verabschiedet und auch sonst
       > gibt es Neues von der Front – insbesondere bei der AfD.
       
 (IMG) Bild: Jogi Löw plant schon für da schwere Spiel gegen Liechtenstein
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Nach „zu viel Indiskretionen“ der Sondierenden
       maulen Medien jetzt über zu wenig.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Vielleicht eine Indiskretionskommission?
       
       Zum Abschluss der Sondierungswoche sagte Olaf Scholz: „Es wird das größte
       industrielle Modernisierungsprojekt, das Deutschland wahrscheinlich seit
       über 100 Jahren durchgeführt hat.“ Müssen wir uns Sorgen machen oder können
       wir uns freuen? 
       
       Bei Klimabusiness, Zuwanderung und Digitalisierung können die Ampelianer …
       die Ampelnden … jedenfalls Rotgelbgrünen allesamt etwas mitbringen zur
       Party. Dafür sterben linke Leuchttürme wie Tempolimit, Bürgerversicherung,
       Steuererhöhung schon jetzt. Ein entbürokratisiertes, weltoffenes Land, das
       effiziente Klimaschutztechnik liefert: Dafür fahre ich gern noch einige
       Zeit 170 hm/h, da bin ich zu Opfern bereit.
       
       Rugbyspieler dürfen seit Neuestem auch Leggings tragen. Tragen Sie die auch
       ab und zu? 
       
       Aufm Rennrad von 14 Grad an abwärts. Bei Rugby geht es eher um das Risiko,
       sich auf Kunstrasen zu maulen und Verbrennungen zuzuziehen.
       
       Am Dienstag titelte die taz zum Rückzug von AfD-Chef Jörg Meuthen: „Wird
       die AfD jetzt rechts?“ Im Netz stiftete das Verwirrung. Ist Ironie immer
       noch ein No-Go? 
       
       Ja. (Vorsicht, Ironie.)
       
       Aber mal im Ernst: AfD-Chef Meuthen verzichtet auf erneute Kandidatur –
       [1][wird die AfD jetzt rechts?] 
       
       Klar, schon Gründer Lucke war rechts, Nachfolgerin Petri erst recht rechts
       und Meuthen das feige Blatt für alle, von denen er ablenkte – oder log, die
       gebe es in der AfD gar nicht: Nazis halt. Moralisch schwer zu bewerten, was
       übler sei: Nazi sein oder Nazi verbrämen. Was macht eigentlich das vor der
       Wahl schockgefrostete Thema „Verdachtsfall für den Verfassungsschutz“? In
       dieser Hinsicht könnte Meuthens Abgang ein Indiz sein. Oder Geständnis.
       
       Der DFB verabschiedet Joachim Löw am 11. November in Wolfsburg mit einem
       Qualifikationsspiel gegen – Liechtenstein. Ein würdiger Abschied? 
       
       Wollt ihr lieber einen Zapfenstreich? Es sollte noch im Rücktrittsjahr 21
       stattfinden. Nicht Nachfolger Flicks Start überschatten und gern
       Hauptsponsor VW zu Hause besuchen. Blieb das närrische Datum gegen FC Egal.
       Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die niemand kann. Und dieser
       Niemand wird dann Bundestrainer.
       
       Am Freitag wurde in Berlin der Wagenplatz Köpi geräumt, das „letzte linke
       Symbolprojekt“, so viele Medien. Was ist ein „linkes Symbolprojekt“? 
       
       Die Besetzung des Objektes ist in den 90ern legalisiert und später durch
       einen 30-jährigen Mietvertrag befestigt worden. Also dürfen Räumung und
       Abriss als rechte Symbolpolitik betrachtet werden: Kommt uns nicht mit
       Vernunft, wo wir die Macht haben.
       
       [2][Der Zapfenstreich mit Fackeln vor dem Reichstag] erinnert an
       militaristische Rituale aus Deutschlands faschistischer Vergangenheit. Ist
       eine derartige Würdigung des Afghanistan-Einsatzes vor dem Hintergrund der
       aktuellen Lage nicht ein zynischer Scherz? 
       
       Eher schon missbrauchten die Nazis preußische Rituale, um ihre
       Straßenschlägerhorden mit dem Pathos einer organisierten Armee zu
       bedampfen. Insofern ist die Reaktionskette „Soldat, Fackel, Reichstag =
       Hitler“ moralisch hochwertig und historisch kenntnisarm. Das wäre wumpe,
       wenn sich dahinter nicht eine viel üblere historische Parallele feldgrün
       tarnen könnte: SoldatInnen, die alles richtig gemacht haben und halt
       falsche politische Vorgaben erlitten. The Selbstbetrug formerly known as
       „Dolchstoß“. Eine Armee, die für ihren „guten Job“ gefeiert werden möchte –
       und zugleich die Schuld für das desaströse Scheitern der Mission bei der
       Politik abliefert. Hinterher. Heißt: Es hat 20 Jahre lang bei des
       Bundeswehr keine „Bürger in Uniform“ gegeben, die mal rechtzeitig den Mund
       aufgemacht hätten. Sie haben zwei Jahrzehnte da herumgehangen und
       KameradInnen verloren und selbst Menschen getötet – für eine Mission
       impossible. Sehenden Auges. Das ist wesentlich erschütternder als die
       erregte Twitter-Polizei, die sich übers Abfackeln abfuckelt.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Ein Fan läuft aufs Feld, bekommt Trikot und Selfie von Haaland; dann wird
       er von Ordnern abgeführt, erkennungsdienstlich untersucht und das Trikot
       wird ihm weggenommen. Da ist doch für jeden etwas dabei.
       
       Fragen: Nele Sophie Karsten, David Muschenich
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und staunt übers
       Regierungsbildungstempo
       
       17 Oct 2021
       
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