# taz.de -- Klimabewegung und Nachhaltigkeit: Die 1,5-Grad-Grenze verläuft hier
       
       > Die Klimaproteste schrumpfen. Und jetzt? Manche in der Bewegung setzen
       > auf radikaleren Protest – doch es gäbe einen anderen Weg.
       
 (IMG) Bild: Die „1,5°C-Grenze“ vor dem Dorf Lützerath, an der Kante zum Tagebau Garzweiler II
       
       Haben Sie auch schon den Ampelblues? Draußen ist es kalt und stürmisch, in
       den Nachrichten reden sie immer nur von Fortschritt. Ernüchterung macht
       sich breit. Als erste echte Wahl nach 16 Jahren Merkel wurde einem die
       Bundestagswahl angepriesen, und jetzt soll nach den ersten Verhandlungen
       doch alles mehr oder weniger [1][so bleiben, wie es war].
       
       Falls es Ihnen auch so geht, schauen Sie sich [2][das Video an], das Anfang
       der Woche herumgereicht wurde. Es wird Ihnen gute Laune machen. Greta
       Thunberg ist darin zu sehen, wie sie auf einer Bühne tanzt und vor
       kreischenden Zuschauern ein Lied singt: „Never Gonna Give You Up“.
       
       Niemals aufgeben, das ist das Motto der Klimabewegung in diesem Herbst.
       Dabei könnte man versucht sein, alles hinzuwerfen. Bei der vermeintlichen
       Klimawahl gab es keine Mehrheit für eine realistische Klimapolitik, das
       Ampelprogramm entspricht bislang nicht dem Pariser Klimaabkommen. Und bei
       den Koalitionsverhandlungen sitzen in der Arbeitsgruppe Klima für die SPD
       der niedersächsische Autohändler Stephan Weil und der brandenburgische
       Kohlekönig Dietmar Woidke.
       
       Aber die Klimabewegung gibt nicht auf. Für Freitag wurde wieder zum Streik
       aufgerufen. Doch der Klimastreik schrumpft. Er ist längst kein Streik mehr,
       kein Regelübertritt, sondern fester Bestandteil des Politikbetriebs. Wie
       kann die Klimabewegung darauf reagieren?
       
       Es gibt verschiedene Antworten: Am Donnerstag stellte [3][sich Luisa
       Neubauer für eine Pressekonferenz] vor ein Dinosaurierskelett im Berliner
       Naturkundemuseum, um deutlich zu machen, welche Zukunft der Menschheit
       blüht. Aber reicht es, immer neue, immer stärkere Bilder zu produzieren?
       
       ## Die 1,5 Grad-Grenze sichtbar machen
       
       Ein anderer, kleinerer Teil der Klimabewegung setzte schon im Wahlkampf aus
       lauter Verzweiflung auf [4][Hungerstreik]. Man kann davon ausgehen, dass
       sich mehr Protestierende radikalisieren werden. Manche sprechen davon, das
       Mittel der „friedlichen Sabotage“ anzuwenden: Wenn die Politik nicht den
       Kohleausstieg vorzieht und unsere Zukunft zerstört, so der Gedanke, haben
       wir das Recht, in die Grube zu gehen und die Bagger kaputt zu machen. Doch
       je radikaler der Protest wird, desto weniger Menschen machen mit, desto
       stärker wird die moralische Selbstgerechtigkeit.
       
       Es gibt aber noch einen dritten Trend, der mir am erfolgversprechendsten
       scheint: Es geht um die Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier, die den
       Baggern weichen sollen. Bauern und Dorfbewohnerinnen müssen umgesiedelt und
       enteignet werden. Noch ist der Widerstand klein, ein paar Protestierende
       haben sich dort eingenistet und sagen: Hier, auf dem Feld vor diesem Dorf,
       verläuft die 1,5-Grad-Grenze.
       
       Das Kalkül, eine unsichtbare Bedrohung sichtbar zu machen, kennt man aus
       der [5][Anti-AKW-Bewegung]. Auch dort hätte man fragen können: Was macht es
       für einen Unterschied, ob die Castoren einen Tag später ihr Ziel erreichen,
       weil noch ein paar Tausend Menschen die Gleise blockieren? Trotzdem war der
       Atomausstieg nicht allein Rot-Grün und auch nicht dem Unglück von Fukushima
       zu verdanken. Sondern dem Erfolg der ausdauerndsten Bewegung in der
       Geschichte der Bundesrepublik.
       
       Das Gute ist: Auch der Kohleausstieg wird nicht allein von der
       Ampelkoalition bestimmt, sondern maßgeblich von der Klimabewegung. Aufgeben
       ist also keine Option.
       
       25 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Prioritaeten-einer-Ampel-Koalition/!5805604
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=OI81yqgRWGc
 (DIR) [3] /Klimaforderungen-an-neue-Bundesregierung/!5806123
 (DIR) [4] /Protestaktion-in-Berlin/!5797798
 (DIR) [5] /Sieben-Thesen-zur-Klimabewegung/!5624875
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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