# taz.de -- Schwulenfeindlichkeit in Hamburg: Homophober Angriff auf St.Pauli > Vor einer Schwulenbar auf dem Kiez wurden zwei junge Männer attackiert. > Die Polizei geht von Hasskriminalität aus. (IMG) Bild: Ausgelassen feiern: für sexuelle Minderheiten oft auch mit Gefahr verbunden „Wir steh’n auf Jungs“ steht an der eingezogenen Markise über der Wunderbar. Vier Jugendliche bleiben vor der Bar in einer Seitenstraße der Hamburger Reeperbahn stehen, lachen. Sie fotografieren die Übersicht zu den 2G-Regeln. „Zutritt nur für Gayimpfte & Gaynesene“ steht dort hinter dem ersten Aufzählungszeichen mit der Silhouette eines Penis. Nur ein Poster mit der Aufschrift „No Homophobia“ am Eingang erinnert daran, dass es auch im Jahr 2021 immer noch Menschen gibt, die andere aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren, beleidigen und manchmal auch körperlich attackieren. So geschehen während der Halloween-Feier der Wunderbar am Wochenende. Zwei junge Männer wurden vor der Bar zusammengeschlagen – w[1][eil sie schwul sind.] Um viertel nach zwei, so berichtet es ein Sprecher der Hamburger Polizei im Gespräch mit der taz, hätten zwei 18-Jährige zwei andere Männer – 24 und 26 Jahre alt – die vor der Wunderbar standen, zunächst beleidigt und dann geschlagen. Vor allem gegen den Kopf, so der Polizeisprecher, beide hätten Gesichtsverletzungen davongetragen, hätten aber seines Wissens nicht stationär behandelt werden müssen. „Die Vernehmung der Zeugen hat ergeben, dass es sehr wahrscheinlich eine homophob motivierte Tat“ war, sagt der Sprecher der Polizei. Dafür sprächen die von den Zeug:innen gehörten Beleidigungen, die sie der Polizei Anfang der Woche schilderten. In den sozialen Medien wird viel Solidarität mit den beiden Betroffenen geäußert. Ob es noch weitere Tatbeteiligte gebe, sei derzeit unklar, sagt der Sprecher. Die beiden Tatverdächtigen seien der Polizei aufgrund von Körperverletzungsdelikten und Vergehen bekannt, mit homophob motivierten Straftaten seien sie bisher nicht aufgefallen. Direkt nach der Tat seien ihre Personalien aufgenommen worden. Sie waren nicht weggelaufen, nachdem die beiden Geschädigten zwei Polizisten angesprochen hatten, die wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe waren. Axel Strehlitz, einer der beiden Betreiber der Wunderbar, hat mit einer Augenzeugin gesprochen. „Sie sagte, die hätten den beiden Männern minutenlang ins Gesicht geschlagen“, erzählt er der taz am Telefon. „Was mich besonders schockiert, ist, dass sie offenbar zwischendurch schon einmal weggegangen waren, um dann zurückzukommen und weiterzumachen.“ Er habe auch gehört, dass weitere Angehörige einer Gruppe die Tat beobachtet haben. Strehlitz sagt auch, dass ein körperlicher Angriff vor der Bar, die er vor 30 Jahren mit eröffnet hat, sich für ihn noch einmal bedrohlicher anfühle als die täglichen Verbalattacken, die sie zu hören bekämen. „Das sind so viele, die kann ich alle gar nicht anzeigen.“ Den beiden geschlagenen Männern habe er jedoch dringend geraten, die Tat anzuzeigen – nicht zuletzt auch deshalb, damit [2][Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung] oder geschlechtlichen Identität sichtbar werde und sich die Gesellschaft damit auseinandersetze. Er vermutet, dass viele Betroffene solche Erfahrungen nicht anzeigen – aus Scham. „Ich habe mit dem einen der beiden gesprochen und er sagte mir, er fühle sich so schuldig.“ Strehlitz habe ihm versucht klarzumachen, dass er überhaupt keine Schuld trage, nur weil er schwul sei und Halloween habe feiern wollen. Der Barbetreiber hat zudem den Eindruck, dass die Homophobie wieder zugenommen hat. „Es ist wieder leichter geworden, ‚Scheiß Schwuchtel‘ zu sagen.“ Er höre auch von regelrechten Jagden auf Männer, die im Stadtpark Sex mit Männern haben, teilweise sogar mit Autos. Und erst vor nicht einmal vier Wochen hatte es einen ähnlichen Vorfall auf dem Hamburger Kiez gegeben. Dabei waren nach Angaben der Polizei vier Männer ganz in der Nähe der Wunderbar auf der Reeperbahn am frühen Morgen von mehreren Männern erst beleidigt und dann geschlagen worden. „Offensichtlich ist eine homophobe Motivation der Tatverdächtigen Hintergrund ihres Angriffes gewesen“, hatte die Polizei mitgeteilt. Die Tatverdächtigen konnten bisher nicht ermittelt werden, sagt jetzt der Polizeisprecher. Ob Straftaten mit homophobem Hintergrund in Hamburg zugenommen haben, lässt sich anhand der vorhandenen Daten nicht sagen. Im Mai hatte der Senat [3][auf Anfrage der Grünen Zahlen veröffentlicht]. Danach hatte die Polizei im Jahr 2020 30 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten „gegen die sexuelle Orientierung“ beziehungsweise aufgrund der Zuordnung zu „Geschlecht/sexuelle Identität“ registriert, in sechs Fällen hatte es sich um Gewaltdelikte gehandelt. Im Vorjahr waren es 36 solcher Straftaten, davon 15 Gewaltdelikte gewesen. Seit Beginn der Dokumentation dieser Kategorie im Jahr 2015 waren es zwar deutlich weniger Fälle gewesen – im Jahr 2016 allerdings auch 35. Die vom Bundesinnenministerium in diesem Jahr veröffentlichten Zahlen sind in dieser Hinsicht deutlicher. Danach gab es 2020 mit 578 Verfahren mehr als zehn Mal so viele wie im Jahr 2001 und von 2018 auf 2019 hatte es einen sprunghaften Anstieg um 64 Prozent gegeben. Allerdings lässt sich das zumindest teilweise auch mit einer gestiegenen Aufmerksamkeit für das Thema sowohl bei der Polizei als auch bei Betroffenen erklären. 4 Nov 2021 ## LINKS (DIR) [1] /Anschlag-auf-queeres-Zentrum-in-Bremen/!5791354 (DIR) [2] https://www.lsvd.de/de/ct/2445-Homophobe-Gewalt-Angriffe-auf-Lesben-Schwule-bisexuelle-trans-und-intergeschlechtliche-Menschen-LSBTI (DIR) [3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/75610/homo_und_transfeindliche_straftaten_in_hamburg_2020.pdf ## AUTOREN (DIR) Eiken Bruhn (DIR) Tjade Brinkmann ## TAGS (DIR) Hasskriminalität (DIR) Hamburg (DIR) Homophobie (DIR) Reeperbahn (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Community (DIR) IG (DIR) Schwerpunkt Stadtland (DIR) Pride Parade (DIR) Bremen (DIR) Lesestück Recherche und Reportage ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Queere Aktivistin in Berlin-Marzahn: Glückskind kämpft gegen Windmühlen Nele ist schon als Glückskind geboren. Nur ihren Vornamen hat sie erst später angenommen. 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