# taz.de -- Debatte zur epidemischen Lage: Schlagabtausch im Bundestag
       
       > Im Bundestag wurde in neuen Rollen über den Infektionsschutz diskutiert.
       > Die Union kritisiert die Ampel-Fraktionen scharf.
       
 (IMG) Bild: Applaus von der FDP: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit Christian Lindner im Bundestag
       
       Offiziell sprach Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag im Bundestag noch für die
       amtierende Bundesregierung. Doch Applaus erhielt er nicht mehr vom alten
       Koalitionspartner, der Unionsfraktion, sondern auch von FDP und Grünen, die
       bislang in der Opposition saßen. In der Debatte über die geplante Novelle
       des Infektionsschutzgesetzes warb Scholz für die von SPD, Grünen und FDP
       vorgeschlagenen Änderungen, um Deutschland „winterfest“ zu machen. Und er
       warb mit trockenem Pathos: „Lassen Sie sich impfen! Es ist wichtig für Ihre
       Gesundheit und wichtig für unser Land.“
       
       Mit Spannung war Scholz’ Rede anlässlich der ersten Arbeitssitzung des neu
       gewählten Parlaments erwartet worden. Bislang hatte er sich aus der
       Debatte, wie die künftige Ampel-Koalition auf die drastisch steigenden
       Infektionszahlen [1][und die auslaufende Feststellung der epidemischen Lage
       reagieren soll,] zumindest öffentlich herausgehalten. Highlight seiner
       gewohnt nüchternen Rede: Scholz kündigte ein kurzfristiges
       Bund-Länder-Treffen zur Coronabekämpfung an, was insbesondere die
       SPD-Ministerpräsidenten bislang abgelehnt hatten. Das Treffen soll am
       kommenden Donnerstag stattfinden.
       
       Die meisten Bundestagsfraktionen fanden sich bei dieser ersten
       parlamentarischen Arbeitssitzung seit der Bundestagswahl in neuen Rollen
       wieder: Die SPD als designierte Kanzlerpartei [2][und die CDU als
       Oppositionsführerin], während Grünen- und FDP-Abgeordnete bei ihren Reden
       nun plötzlich Beifall von der Mehrheit des Hauses bekamen.
       
       Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus brauchte für seine neue
       Oppositionsrolle keine Eingewöhnungszeit; frontal attackierte er die Ampel
       und warf ihr „Realitätsverweigerung“ vor. Sowohl Katrin Göring-Eckardt
       (Grüne) als auch Marco Buschmann (FDP) nahmen das genüsslich zum Anlass,
       der Union unter gegenseitigem Beifall Versäumnisse in der Vergangenheit
       vorzuwerfen.
       
       Konkret ging es bei der Debatte um einen gemeinsamen Gesetzentwurf von FDP,
       Grünen und SPD. Die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ soll demnach
       vom Bundestag nicht verlängert werden. Als Folge könnten die Bundesländer
       ab dem 25. November keinen Shutdown für Gastronomie, Handel und Schulen
       mehr anordnen, auch keine Ausgangsbeschränkungen für die Bürger:innen.
       Stattdessen sollen die Länder einen stark reduzierten Instrumentenkasten
       bekommen, so der Gesetzentwurf. Sie könnten noch Maskenpflicht,
       Abstandsgebote und Hygieneregeln vorschreiben. Auch 2G-Regelungen sollen
       die Länder im öffentlichen Leben einführen oder fortsetzen können.
       
       Die Union hält das Auslaufen der epidemischen Lage für falsch. „Den Ländern
       werden Handlungsoptionen genommen“, kritisierte Brinkhaus. „Sie setzen ein
       völlig falsches Signal an die Gesellschaft“, monierte Nina Warken (CDU).
       Der Bundestag sollte entweder die epidemische Lage verlängern, so
       Brinkhaus, oder den Ländern mehr Flexibilität bei der Auswahl ihrer
       Maßnahmen gewähren.
       
       ## Scholz will „parteiübergreifend“ verhandeln
       
       Kleiner Schwachpunkt der Unions-Empörung: „Es war doch
       CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn, der das Auslaufen der epidemischen Lage
       angeregt hat“, erinnerte Sabine Dittmar (SPD). Der Liberale Marco Buschmann
       warnte vor einem Missverständnis: „Wenn wir die ‚epidemische Lage‘ als
       rechtliches Konstrukt beenden, erklären wir natürlich nicht die Pandemie
       für beendet.“ Der neue Instrumentenkasten sei vielmehr erforderlich, weil
       das alte Arsenal auch potenziell verfassungswidrige Maßnahmen wie
       Ausgangsbeschränkungen enthielt, behauptete Buschmann.
       
       Ähnlich argumentierte die Grüne Göring-Eckardt: „Es ist nicht sinnvoll,
       wenn die Länder Maßnahmen beschließen, die die Gerichte dann wieder
       kippen.“ Maria Klein-Schmeink (Grüne) betonte, dass auch ganz neue
       Maßnahmen eingeführt werden sollen, etwa eine bundesweite 3G-Pflicht an
       Arbeitsplätzen. Auch Bewohner:innen von Pflegeheimen sollten besonders
       geschützt werden, indem alle Besucher:innen vor Betreten des Hauses
       getestet werden müssen.
       
       Über diese Maßnahmen konnte freilich noch nicht fundiert diskutiert werden,
       weil sie noch gar nicht im Gesetzentwurf enthalten waren. Den konkreten
       Wortlaut will die werdende Koalition noch nachliefern.
       
       Die Ampel-Abgeordneten betonten alle, wie offen sie für Vorschläge seien.
       So soll es am Montag noch eine Sachverständigenanhörung geben. „Wir werden
       nachsteuern, wo erforderlich“, sicherte Dirk Wiese (SPD) zu. Auch
       Vorschläge der Opposition zur Ergänzung des Instrumentenkastens der Länder
       würden geprüft. „Aber Sie haben heute ja überhaupt nichts Konkretes
       vorgeschlagen“, stellte Wiese fest.
       
       Auch Kanzler in spe Olaf Scholz (SPD) erklärte sich zu
       „parteiübergreifenden“ Verhandlungen bereit. Am Donnerstag nächster Woche
       will der Bundestag die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beschließen.
       Einen Tag später wird der Bundesrat abstimmen. Die Zustimmung der
       Länderkammer ist erforderlich.
       
       11 Nov 2021
       
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