# taz.de -- Neue Bildungsministerin in Schweden: Veränderung ist möglich
       
       > Sie ist die erste trans Frau, die einen Minister:innenposten in
       > Schweden übernimmt: Lina Kihlblom ist nun für Bildung zuständig. Und sie
       > hat viel vor.
       
 (IMG) Bild: „Es geht nicht um Begabung, sondern um den eigenen Willen“, sagt Lina Kihlblom
       
       STOCKHOLM taz | Lina Axelsson Kihlblom war ein unerwarteter Name, als
       Schwedens [1][neue Ministerpräsidentin Magdalene Andersson] am Dienstag ihr
       Kabinett präsentierte. Die neue Schulministerin des Landes hat nämlich
       bislang noch kein politisches Amt innegehabt. „Aber ich war mein Leben lang
       Sozialdemokratin, bin seit vielen Jahren Parteimitglied und freue mich,
       mein politisches Interesse nun auch umsetzen zu können“, sagte sie zu der
       Ernennung, die sie als „überwältigend“ bezeichnete.
       
       Kihlblom ist auch die erste offene trans Person in einer schwedischen
       Regierung. „Ob das wichtig ist, sollen andere beurteilen“, sagt die
       51-Jährige. „Aber wenn ich auch als trans Frau ein Vorbild sein kann, habe
       ich damit kein Problem.“
       
       Nach einem Juraexamen und einer Schulleiter-Ausbildung wurde Kihlblom einer
       breiteren schwedischen Öffentlichkeit schon vor acht Jahren als
       „Superrektorin“ bekannt. Sie wirkte in einer TV-Serie mit, in der über
       einen längeren Zeitraum dokumentiert wurde, wie und mit welchem Ergebnis
       SchulleiterInnen versuchen, einen negativen Trend in ihren Schulen zu
       wenden.
       
       Im Schnitt schaffen rund ein Siebtel der AbsolventInnen der neunstufigen
       schwedischen Grundschule nicht die Zugangsberechtigung zum Gymnasium. An
       der Ronna-Schule in Södertälje scheiterte fast die Hälfte, als Kihlblom
       dort 2011 ihren Dienst antrat. Und tatsächlich schaffte sie die Trendwende
       an dieser Schule in einem von der Polizei als „Problemgebiet“ eingestuften
       Stadtteil: Nach zwei Jahren erreichten schon zwei Drittel die Berechtigung.
       
       ## „Ich will, dass alle Kinder eine Chance bekommen“
       
       Ihr persönliches Beispiel habe ihr gezeigt, dass Veränderung möglich ist,
       erzählte Kihlblom in dieser Serie. Sie selbst hatte sich in den Kopf
       gesetzt, eine naturwissenschaftliche Ausbildung zu machen. Ihre LehrerInnen
       hatten ihr das auszureden versucht, weil sie Dyslexie hatte und nur untere
       Mathekurse geschafft hatte. Einen Sommer lang habe sie daraufhin im
       Selbststudium Mathe gepaukt und konnte mit Bestnote ihr Ziel erreichen. „Es
       geht nicht um Begabung, sondern um den eigenen Willen“, sagt sie. Das habe
       sie auch ihren SchülerInnen zu vermitteln versucht.
       
       2015 berichtete die Mutter von zwei Adoptivtöchtern dann in einem Buch mit
       dem Titel „Wirst du mich auch jetzt noch mögen?“, wie sie als Mädchen in
       einem Jungenkörper aufwuchs. „Als Kind schrieb ich Briefe an Gott und bat
       ihn, mich umzuwandeln. Es war ein Martyrium, nach dem Sport mit den Jungen
       zu duschen.“ Mit 19 Jahren begann sie eine Geschlechtskorrektur, die sechs
       Jahre später vollendet war. „Nach dem Aufwachen aus der Narkose fühlte ich
       mich zum ersten Mal als ganzer Mensch“, erzählte sie in einem Interview.
       „Aber ich will keine National-Transe sein. Mein Thema ist Schule und
       Bildung. Ich will, dass alle Kinder eine Chance bekommen.“
       
       Musste Kihlblom vor Amtsantritt etwas gestehen? „Ja. In den 90er Jahren
       habe ich in Deutschland zweimal Marihuna geraucht.“ Für die
       Regierungschefin ging das in Ordnung.
       
       1 Dec 2021
       
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