# taz.de -- Umfrage unter Schwarzen Menschen: Der tägliche Rassismus > Der Afrozensus zeigt, wie häufig Schwarze Menschen in Deutschland > diskriminiert werden – und wie nötig unabhängige Beschwerdestellen sind. (IMG) Bild: Awet Tesfaiesus (Grüne), erste Schwarze Bundestagsabgeordnete BERLIN taz | Schwarze Menschen in Deutschland fühlen sich aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft diskriminiert, kriminalisiert und exotisiert. Zu diesem Ergebnis kommt der sogenannte Afrozensus, der am Dienstag in Berlin vorgestellt worden ist. „Nie zuvor wurde so tiefgehend untersucht und herausgearbeitet, welche spezielle Formen antischwarzer Rassismus annehmen kann“, würdigte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, die Ergebnisse. Awet Tesfaiesus, die erste Schwarze Bundestagsabgeordnete (Grüne) sagte der taz: „Um Diskriminierungserfahrungen herauszuholen aus dem Nebel einer angeblichen Subjektivität, [1][braucht es belastbare Zahlen und Fakten.] Der Afrozensus ist daher ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung in Deutschland“. Insgesamt leben in Deutschland rund 1 Million Menschen afrikanischer Herkunft. Statistisch ist über diese Gruppe wenig bekannt. Deutsche Behörden fassen ihre Daten allein unter dem Merkmal „Migrationshintergrund“ zusammen, kritisiert Daniel Gyamerah von der Organisation Each One Teach One (Eoto). Das aber werde der Lebensrealität Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen im Land nicht gerecht. Für den Afrozensus hat Eoto zusammen mit der Organisation Citizens For Europe (CFE) deshalb erstmals eine größere Anzahl Schwarzer Personen zu ihren Alltagserfahrungen befragt. Fast 6.000 Personen nahmen an der Onlinebefragung zwischen Juli und September 2020 teil. Ihre Antworten legen nahe, dass [2][antischwarzer Rassismus] in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet ist. ## Doppelte Diskriminierung trifft noch härter So gab mehr als die Hälfte der Befragten an, schon mal ohne Grund von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Eine ebenso große Gruppe gab an, schon für einen Dealer gehalten worden zu sein. Fast 80 Prozent sagten, beim Onlinedating sexualisierte Kommentare zu ihrem Aussehen oder ihrer vermeintlichen Herkunft erhalten zu haben. Und mehr als 90 Prozent erlebten, dass ihnen jemand ungefragt durch die Haare gewuschelt hat. „Das Problem ist strukturell“, so Gyamerah. In allen 14 abgefragten Lebensbereichen sind Schwarze Menschen von Diskriminierung oder Rassismus betroffen, heißt es in dem [3][Bericht]. So gaben beispielsweise zwei von drei Befragten an, in Schule oder an der Uni wegen ihrer Herkunft schlechtere Noten bekommen zu haben. Ebenso viele berichteten, dass Ärzt:innen ihre Beschwerden nicht ernst nehmen. Diskriminierende Erfahrungen machen Schwarze Menschen auch in den anderen Bereichen: der Wohnungssuche, auf Ämtern und Behörden, im Job, in der Freizeit und so weiter. Die Autor:innen betonen, dass Diskriminierung wahrscheinlicher werde, wenn die Betroffenen gleichzeitig noch zu anderen unterprivilegierten Gruppen gehörten. Dazu zählen ein niedriger Bildungsgrad, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit oder eine bestimmte geschlechtliche Identität. So gaben beispielsweise rund 70 Prozent der Befragten an, bei der Wohnungssuche schon diskriminiert worden sein. Bei Schwarzen, die gleichzeitig Muslime sind, waren es rund 90 Prozent. „Wir haben über alle Lebensbereiche hinweg festgestellt, dass die eher deprivilegierten Teilgruppen häufiger Diskriminiserungserfahrungen machen“, so Projektleiterin Teresa Bremberger von Citizens For Europe. Eoto und CFE fordern die Bundesregierung auf, das Empowerment der Schwarzen Community zu fördern und Beratungsstellen für Betroffene einzurichten. Auch Bernhard Franke von der Antidiskriminierungsstelle hält dies für dringend notwendig – und lobt, dass die Ampelkoalition hier tätig werden will. 1 Dec 2021 ## LINKS (DIR) [1] /Rassismusforscher-ueber-Afrozensus/!5677279 (DIR) [2] /Doku-AfroDeutschland/!5392064 (DIR) [3] /tmp/mozilla_rpauli0/Afrozensus-2020.pdf ## AUTOREN (DIR) Ralf Pauli ## TAGS (DIR) Afrodeutsche (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Vorurteile (DIR) Diskriminierung (DIR) Schwarze Deutsche (DIR) IG (DIR) Afrodeutsche (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Black Lives Matter (DIR) Bundesinnenministerium (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror (DIR) Volkszählung ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Black Communities Zentrum: „Ein Zuhause für Schwarzes Leben“ Mit dem Geld für ein Black Communities Zentrum bringt Berlin das Empowerment von Schwarzen Menschen voran, lobt Daniel Gyamerah vom Verein EOTO. (DIR) Kriegsflüchtlinge in Berlin: Molotowcocktail voller Emotionen Menschen fliehen vor dem Krieg. Sie verdienen Empathie. Unsere Autorin aber erzürnt, dass der Umgang mit nichtweißen Geflüchteten eindeutig rauer ist. (DIR) Schwarze Menschen in der Gesellschaft: Sichtbarkeit reicht nicht Der Afrozensus liefert eine traurige Gewissheit: Rassismus gegenüber Schwarzen ist omnipräsent. Die Ampel will hier mehr tun – sagt sie jedenfalls. (DIR) Neues Innenministerium: Nach dem Horst-Case-Szenario Die Seehofer-Jahre waren geprägt von Untätigkeit. Das neue Innenministerium muss Antworten auf Rechtsextremismus und Polizeigewalt finden. (DIR) Journalistin über rechte Gewalt: „Rechte Vorfälle vor der Haustür“ „Tatort Rechts“ sammelt Fälle von Rassismus auf einer Karte. Mitgründerin Anna Neifer über weiße Flecken und die Menschen hinter den Zahlen. (DIR) Rassismusforscher über „Afrozensus“: „Wir brauchen einen Einblick“ Wie kann über Schwarze Menschen in Deutschland gesprochen werden, wenn es keine Datengrundlage gibt? Daniel Gyamerah über Forschung und Leere.