# taz.de -- Genozid-Gesetz in Bosnien-Herzegowina: Wenn sich Nationalisten zusammentun > Im Parlament von Bosnien-Herzegowina verbünden sich serbische und > kroatische Nationalisten. Ihr Ziel: ein Gesetz gegen Genozid-Leugnung > kippen. (IMG) Bild: Milorad Dodik während einer Pressekonferenz am 8. November 2021 SARAJEVO taz | Die Vertreter der bosnischen Serben sind wieder in das Parlament des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina zurückgekehrt, das sie im August unter lautem Getöse verlassen hatten. Deren führender Politiker, Milorad Dodik, hatte damals gedroht, die [1][serbische Teilrepublik zu einem selbstständigen Staat] auszubauen. Die zeitweilige Rückkehr ins Parlament ist aber kein Friedensangebot. Dodik möchte dort ein Gesetz aufheben, das die Leugnung von Genozid und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern unter Strafe stellt. Valentin Inzko, der vorige Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, hatte dieses Gesetz mit seinen weitgehenden Befugnissen erlassen, weil sowohl in der serbischen Teilrepublik als auch in den Kroatengebieten der Herzegowina ungeniert vom UN-Tribunal in Den Haag verurteilte Kriegsverbrecher des Bosnien-Krieges 1991–95 geehrt werden. In einer ersten Lesung am Montag fanden die Serbenvertreter dafür eine Mehrheit, denn die Mitglieder der bosnisch-kroatischen Nationalisten stimmten gemeinsam mit ihnen ab. In einer zweiten Lesung könnten sie das Gesetz möglicherweise kippen. Die Scheinheiligkeit der Nationalisten zeigte sich am 9. November, als ausgerechnet der bosnisch-kroatische Nationalist Dragan Ćović am 83. Jahrestag der Novemberpogrome zu einem Symposium in Auschwitz-Birkenau reiste, das von der Europäischen Jüdischen Gemeinde in Krakau organisiert worden war. [2][Auch Dodik] besuchte Auschwitz. ## Heuchelei der kroatischen Rechten Seit Jahren versuchen kroatische wie serbische Extremisten als „Gegner des Islams“ Kontakte zu jüdischen Organisationen zu knüpfen. Dort finden sie auch Unterstützer. Jüdische Persönlichkeiten wie Marek Edelman, der den Holocaust überlebt hatte und der während des Krieges auf Seiten Sarajevos positioniert war, sind dagegen inzwischen verstorben oder leiser geworden. Sie hatten 1995 dazu beigetragen, dass die USA schließlich den Krieg in Bosnien beendet haben. Dass [3][ausgerechnet Dragan Čović] in Auschwitz einen Kranz niederlegen konnte, obwohl er sich nie grundsätzlich vom faschistischen Ustascha-Regime des Zweiten Weltkrieges distanziert hat, ist befremdlich: Schließlich hatte das mit Hitler verbundene kroatische Ustascha-Regime Hundertausende Serben, Juden und Roma in Konzentrationslagern ermordet oder nach Auschwitz deportiert. Bis heute tut sich die kroatische Rechte schwer damit, die Verbrechen der Ustaschen zuzugeben. Vielmehr verehrt sie die kroatischen Verbrecher des Zweiten Weltkrieges weiterhin. Ohne die Zustimmung Čović’ wäre es nicht möglich gewesen, Straßen im westlichen Teil der Stadt Mostar nach dem ehemaligen Ustascha-General Jure Francetić oder dem Chefideologen der Ustascha, Milan Budak, zu benennen, die für die Verfolgung von Juden, Roma und Serben eingetreten sind. 2 Dec 2021 ## LINKS (DIR) [1] /Serbische-Welt-und-Balkankonflikt/!5806316 (DIR) [2] /Provokation-in-Bosnien-Herzegowina/!5805959 (DIR) [3] /Nationalismus-in-Kroatien/!5769197 ## AUTOREN (DIR) Erich Rathfelder ## TAGS (DIR) Bosnien und Herzegowina (DIR) Genozid (DIR) Milorad Dodik (DIR) Nationalismus (DIR) Lesestück Recherche und Reportage (DIR) Milorad Dodik (DIR) Bosnien und Herzegowina (DIR) Balkan (DIR) Lesestück Recherche und Reportage (DIR) Srebrenica ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Krise in Bosnien und Herzegowina: Zerreißprobe Bosnien und Herzegowina wird von kroatischen und serbischen Nationalisten in Existenznot gebracht. Eindrücke aus einem angespannten Land. (DIR) Serbiens Unabhängigkeitsbestreben: Dodik Paroli bieten Bosnische Serben treiben die Abspaltung von der Zentralregierung voran. Noch bleiben sechs Monate bis zu ersten konkreten Maßnahmen. (DIR) Krise in Bosnien und Herzegowina: Serbenregion leitet Abspaltung ein Das Parlament der Republika Srpska will sich aus den Institutionen des Zentralstaats zurückziehen. Neue Gesetze sollen den Eigenweg vorantreiben. (DIR) Experte über Bosnien und Herzegowina: „Es macht sich Kriegsangst breit“ Der starke Mann der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, stürzt Bosnien und Herzegowina in die Krise. Daran trägt der Westen Mitschuld. (DIR) 25 Jahre nach dem Genozid von Srebrenica: Die nicht vergessen können Remzija Suljić ist 72 Jahre alt, Emina Krdzic war damals, als es geschah, ein Baby. Beide Frauen eint die Präsenz einer furchtbaren Vergangenheit. (DIR) 25. Jahrestag des Massakers in Srebrenica: Der Krieg im Klassenzimmer Was junge Bosnier*innen in der Schule über Kriegsverbrechen lernen, hängt stark von der Schule ab. Das Bildungssystem vertieft die Gräben.