# taz.de -- Krise in Bosnien und Herzegowina: Serbenregion leitet Abspaltung ein
       
       > Das Parlament der Republika Srpska will sich aus den Institutionen des
       > Zentralstaats zurückziehen. Neue Gesetze sollen den Eigenweg
       > vorantreiben.
       
 (IMG) Bild: Ein Ja für die Abspaltung: Bei der Abstimmung im Regionalparlament in Banja Luka
       
       SARAJEVO taz | Nach jahrelangen Drohgebärden des politischen Führers der
       [1][bosnischen Serben, Milorad Dodik,] wird es nun ernst: Das
       Regionalparlament der „Republika Srpska“ in Banja Luka beschloss am Freitag
       den Rückzug aus der Armee, dem Justiz- und dem Steuersystem des
       Gesamtstaates.
       
       Der Parlamentsbeschluss bedeutet, dass innerhalb von sechs Monaten die
       Regionalregierung aufgerufen ist, die Parlamentsbeschlüsse umzusetzen. In
       diesem Zeitraum sollen neue Gesetze für das Militär, das Steuersystem und
       die Justiz ausarbeitet werden. Damit sind die ersten Schritte zur
       Abspaltung des serbisch kontrollierten Teilstaates von Bosnien und
       Herzegowina getan.
       
       Dodiks Maßnahmen sind im serbischen Teilstaat nicht unumstritten. Seine
       nationalistisch ausgerichtete Partei mit dem irreführenden Namen SNSD
       (Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten) und ihre Verbündeten
       unterstützten ihn mit 48 von insgesamt 83 Stimmen. Die Oppositionsparteien
       wie die Serbische Demokratische Partei (SDS) und die Liberale Partei (PDP)
       verließen vor der Abstimmung den Saal. Oppositionsführer Mirko Šarović
       erklärte, Dodik beschreite einen gefährlichen Weg, der sogar in einen Krieg
       münden könnte. Zudem warnte er angesichts der drohenden [2][internationalen
       Sanktionen] vor einem finanziellen Kollaps der Teilrepublik.
       
       Dodik will alle gemeinsamen Institutionen des Staates Bosnien und
       Herzegowina aushebeln, die seit dem [3][Friedensabkommen von Dayton 1995]
       entstanden sind. Damals wurde die Aufteilung Bosniens in eine
       bosniakisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska beschlossen, die
       jeweils rund die Hälfte des Staatsgebietes ausmachen. Gleichzeitig aber
       wurde ein gemeinsamer Gesamtstaat mit einem Parlament und einer Regierung
       gegründet.
       
       Der eingangs schwache Zentralstaat wurde durch Beschlüsse des gemeinsamen
       Parlamentes und mit Hilfe des [4][Hohen Repräsentanten der
       Staatengemeinschaft] nach und nach gestärkt und mehr oder weniger
       funktionsfähig gemacht. Einige dieser Reformen führten zur Bildung einer
       gemeinsamen Währung, einer gemeinsamen Armee, der Gründung eines
       Verfassungsgerichts und eines Systems für die Erhebung indirekter Steuern.
       
       ## Bruch mit bisherigem System
       
       Dodik vertritt nun die Ansicht, die Zentralregierung habe der Republika
       Srpska in 140 Bereichen unrechtmäßig Vollmachten entzogen. Dies solle nun
       rückgängig gemacht werden. Er will die gemeinsame Armee auflösen und eine
       eigene Armee aufbauen. Er betrachtet die Urteile des Verfassungsgerichts
       als gegenstandslos. Als Zeichen des Bruchs mit dem bisherigen System ließ
       er keine Beobachter des Amtes des Hohen Repräsentanten bei der Sitzung des
       serbischen Regionalparlaments zu.
       
       Gleich nach dem Amtsantritt des neuen Hohen Repräsentanten, des
       [5][Deutschen Christian Schmidt], Anfang August lehnte er jegliche
       Zusammenarbeit mit dieser Institution ab, die nach dem Abkommen von Dayton
       die Umsetzung dessen überwachen soll.
       
       Anlass dazu war ein [6][Gesetz], das die Verleugnung des [7][Genozids in
       Srebrenica] und die Verherrlichung von vom UN-Tribunal in Den Haag
       verurteilten Kriegsverbrechern unter Strafe stellt. Wie zum Hohn tauchte am
       Freitag in der Nähe des Regionalparlaments in Banja Luka eine Wandmalerei
       mit dem Konterfei des vom UN-Tribunal zu lebenslanger Haft verurteilten
       [8][Kriegsverbrechers Ratko Mladić] auf.
       
       Die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft fielen bisher
       widersprüchlich aus. Russland und Serbien stützen die Politik Dodiks, auch
       Ungarn, Slowenien und viele rechtsgerichtete Parteien in Europa ließen
       Sympathien für ihn erkennen. Dagegen haben einige Länder der EU – darunter
       Deutschland – und die USA mit Sanktionen gedroht.
       
       12 Dec 2021
       
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