# taz.de -- Polnisch-belarussische Grenze: „Die Situation ist unerträglich“
       
       > Die Lage in der Grenzregion von Polen und Belarus bleibt angespannt.
       > Berichte über volle Lager und versuchte Grenzdurchbrüche halten an.
       
 (IMG) Bild: Polnische Soldaten an der Grenze zu Belarus
       
       BERLIN taz | Wenn Polens Regierung auf Kontinuität gehofft hat, wurde sie
       nicht enttäuscht: In [1][Warschau blieb Bundeskanzler Olaf Scholz] (SPD) am
       Wochenende auf der Linie seiner Vorgängerin. Das Vorgehen des
       belarussischen Präsidenten Lukaschenko sei „menschenverachtend“; von
       „hybrider Kriegsführung“ sprach er. Berlin werde Polen unterstützen, damit
       es „sich nicht erpressen lassen muss“. Hilfsorganisationen und [2][Medien
       endlich ungehindert Zugang zur polnisch-belarussischen Grenzregion] zu
       gewähren, forderte Scholz indes nicht.
       
       Dabei hat sich die Lage nicht entspannt: Im Dezember hat Polen bislang 938
       versuchte Grenzübertritte registriert. Zuletzt hätten insgesamt 100
       Menschen teils „gewaltsam“ versucht, die Grenze zu durchbrechen. Kaum eine
       Meldung des hochgerüsteten Grenzschutzes kommt ohne Verweis auf angebliche
       Angriffe durch Flüchtlinge aus.
       
       Am Dienstag wurde bekannt, dass Polen von Juli bis Oktober 2.505
       Asylsuchende aus dem Nahen Osten und Afghanistan registriert hat – eine
       überschaubare Zahl. Asylsuchende werden dort für die Dauer des Verfahrens
       in Internierungslagern isoliert festgehalten.
       
       Das Portal [3][InfoMigrants] berichtet von einem Aufstand im Lager Wędrzyn
       nahe Frankfurt (Oder). Dort sind 600 Menschen untergebracht, je 25 schlafen
       in einem Raum. „Sie kennen das polnische Recht nicht. Sie wissen nicht, was
       mit ihnen passieren wird“, sagte der grüne polnische Abgeordnete Tomasz
       Aniśko nach einem Besuch. „Die Situation ist völlig unerträglich.“
       
       ## Fünfzehn bestätigte Todesfälle
       
       Derweil ist unklar, wie viele Menschen in Belarus noch auf die Möglichkeit
       eines Grenzübertritts warten. Am 4. Dezember startete der letzte Flug
       zurück in den Irak. Seit November sind etwa 2.000 Menschen auf diesem Weg
       zurückgekehrt. Ende November schätzte die UN-Migrationsorganisation IOM die
       Zahl der [4][in Belarus festsitzenden Menschen] auf rund 7.000.
       InfoMigrants veröffentlichte Bilder einer Lagerhalle in Bruzgi, in der rund
       1.000 Personen untergebracht sind. Sie berichteten, die Polizei dränge sie,
       die Grenze zu durchbrechen.
       
       Am 6. Dezember meldete das polnische NGO-Bündnis Grupa Granica den Tod
       einer 38-Jährigen. Die schwangere Mutter von fünf Kindern starb demnach an
       den Folgen von Unterkühlung, nachdem die Familie sieben Tage in den Wäldern
       des Grenzgebiets verbrachte.
       
       Damit steigt die Zahl der bekannten Todesfälle auf 15. Eine offizielle
       Statistik gibt es nicht. Zudem berichtete die Grupa Granica, dass am 8.
       Dezember ein Elternpaar bei einer Zurückschiebung durch die polnische
       Polizei von der vierjährigen Tochter namens Eileen getrennt wurde. Das
       Mädchen werde seither vermisst.
       
       Nach Deutschland kommen indes immer weniger Menschen durch. Mit Stand 9.
       Dezember 2021 registrierte die Bundespolizei in diesem Jahr 10.880
       unerlaubte Einreisen mit Bezug zu Belarus, „derzeit mit deutlich fallender
       Tendenz“.
       
       14 Dec 2021
       
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