# taz.de -- Olaf Scholz und die Impfpflichtdebatte: Vorsicht vor Schnellschüssen
       
       > Bei der Impfpflicht führt Machtlogik in die Irre. Es wäre ein Zeichen von
       > Stärke, keine Entscheidung unter Zeitdruck zu fällen.
       
 (IMG) Bild: Heikle Sache, die Impfpflicht
       
       Die Debatte über die Impfpflicht ist heikel. Denn eine Impfpflicht ist ein
       gravierender Eingriff in die Grundrechte. Sie muss präzise, wasserdicht und
       einleuchtend begründet sein. Nichts schadet da mehr als Eile oder selbst
       erzeugter Zeitdruck. Vor sechs Wochen [1][hat Olaf Scholz mehr oder weniger
       klar angekündigt], dass die Impfpflicht spätestens Ende März beschlossene
       Sache sein wird. Der Kanzler gab da den Macher, der weitblickend in die
       Zukunft schaut, seine Lieblingsrolle.
       
       Allerdings war es Machertum in Anführungszeichen, Entschlossenheit im
       Konjunktiv. Denn Scholz kündigte nicht an, das Kabinett auf Trab zu bringen
       und ein Gesetz vorzulegen, über das das Parlament ohne Fraktionszwang und
       per Gewissensentscheidung abstimmen kann.
       
       Nein, das Parlament soll lieber selbst regeln, was zu regeln ist. Und das
       ist eine ganze Menge – und das meiste unklar. Sollen alle Erwachsenen
       geimpft werden oder reicht, wie in Italien, die Impfpflicht für Ältere? Wie
       soll bestraft werden, wer sich verweigert?
       
       Oder bedeutet die „unbürokratische“ Art, die Impfpflicht einzuführen, von
       der Scholz redet, dass es eigentlich keine Überprüfung und Bestrafung von
       Verstößen geben wird? Was aber taugt eine mit viel Trommelwirbel
       verabschiedete Impfpflicht, bei der von Anfang an klar ist, dass sie kaum
       überprüft, geschweige denn sanktioniert wird? Wir wissen es nicht.
       
       ## Lieber zweimal mehr prüfen
       
       Um den Kanzler mit seiner forschen Ankündigung nicht im Regen
       stehenzulassen, drückt die SPD-Fraktion jetzt aufs Tempo. Ende Januar
       debattiert der Bundestag noch mal. Im März soll dann alles klar sein. In
       der Logik der Macht ist es zwingend, zu tun, was man angekündigt hatte, und
       sich nicht von der Opposition, die die widersprüchlichen Botschaften der
       Ampel genüsslich ausschlachtet, treibenzulassen.
       
       Aber Machtlogik führt hier in die Irre. Die Sache länger offen zu halten,
       mag den Nachteil haben, dass Impfskeptiker aberwitzige, abstruse Fake News
       produzieren können, welche Grausamkeiten da in Planung sind. Trotzdem ist
       es ein Zeichen von Stärke, keine Entscheidung unter Zeitdruck zu fällen und
       lieber zweimal mehr zu prüfen, was sinnvoll ist.
       
       Die Corona-Impfung ist viel komplizierter als die Masernimpfung. Der
       Impfschutz wirkt nur eine Zeit – auch Geimpfte können andere anstecken. Das
       spricht keineswegs gegen das Impfen, es lässt aber eine gesetzliche Pflicht
       fragwürdig erscheinen. Außerdem wird der Bundestag faktisch eine
       Impfpflicht gegen Virusmutationen beschließen, die jetzt noch niemand
       kennen kann. Unter Zeitdruck eine Impfpflicht auf Vorrat zu beschließen,
       ist ein zweifelhaftes Unterfangen.
       
       12 Jan 2022
       
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