# taz.de -- Streit um entwaldungsfreie Lieferketten: Waren, die die Bäume schonen
       
       > Laut EU-Kommission sollen Unternehmen künftig nachweisen, dass ihre
       > Produkte ohne Waldzerstörung entstanden sind. Kritikern reicht das nicht.
       
 (IMG) Bild: Sollen stehen bleiben: Bäume in Indonesien
       
       BERLIN taz | Eine „[1][neue strategische Allianz]“ wollen Umweltministerin
       Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir begründen. Die beiden
       Grünen wollen den ewigen Streit der beiden Ressorts beenden, erklärten sie
       am Dienstag.
       
       Als besonderen Schwerpunkt kündigte Lemke den Schutz der Artenvielfalt und
       die Bewahrung von Mooren und Wäldern für den Klimaschutz an. Sie und
       Özdemir seien sich einig, einen „umwelt- und naturverträglicheren“ Einsatz
       von Pestiziden zu stärken. Bis Ende 2023 will Deutschland das Pflanzengift
       Glyphosat vom Markt nehmen. „Wir begründen heute eine Art
       Hausfreundschaft“, sagte Özdemir.
       
       Mit der Freundschaft beginnen können die traditionell zerstrittenen
       Ministerien bei der [2][Anti-Entwaldungs-Vorschrift] der EU-Kommission.
       Zuständig für den Biodiversitätsschutz in dem Vorschlag der EU-Kommission
       zur entwaldungsfreien Lieferkette war bis Ende vergangener Woche
       Umweltministerin Steffi Lemke.
       
       Seit Montag hat das [3][Landwirtschaftsministerium] die Verhandlungen im
       EU-Umweltrat an sich gerissen. „Wir sind komplett raus“, heißt es im
       Umweltministerium. Das Landwirtschaftsministerium besetzt beide zur
       Verfügung stehenden Posten in der Arbeitsgruppe der EU. Möglich wäre, sich
       die Aufgabe mit dem Umweltministerium zu teilen und so dafür zu sorgen,
       dass dessen Expertise zum Natur- und Klimaschutz mit in der EU-Verordnung
       verhandelt wird.
       
       ## Umweltschützer für Verschärfung
       
       Özdemirs EU-erfahrene Ministeriale erarbeiten nun eine Position zum
       Waldschutz in der EU-Agrarwirtschaft. Mit den Abgesandten der EU-Mitglieder
       verhandeln sie über die Anti-Entwaldungs-Verordnung. Alle zusammen können
       den Vorschlag der EU-Kommission verbessern oder verwässern. Natur- und
       Umweltschützer fordern eine Verschärfung, die Industrie eine Vereinfachung.
       Unternehmen fürchten eine Überbürokratisierung, da Lieferkettengesetz und
       die Verordnung zur anständigen Unternehmensführung ebenfalls anstehen.
       
       Laut Kommissionsvorschlag sollen Unternehmen nachweisen, dass ihr Produkt
       ohne Waldzerstörung angebaut oder hergestellt wurde. Produzentinnen und
       Erstinverkehrsbringer von Soja, Rindfleisch, Leder, Kaffee und Kakao sollen
       die entwaldungsfreie Lieferkette in einem EU-Sorgfaltspflichtregister
       belegen. Auch kleine Händler müssen Daten angeben, mit denen die Herkunft
       nachverfolgt werden kann.
       
       Bislang nicht in dem Entwurf enthalten sind Mais, Geflügel oder Kautschuk,
       deren Produktion den Amazonaswald ebenso zerstört wie die Great Plains in
       den USA. „Wir müssen vermeiden, dass durch Verlagerungseffekte weiterer
       Druck auf die Ökosysteme entsteht“, heißt es aus dem
       Bundeslandwirtschaftsministerium.
       
       Özdemirs Ministerialbeamte wünschen sich zudem „größtmögliche Kohärenz“.
       Damit gemeint ist die Verzahnung der vier in der EU verhandelten
       Verordnungen zu Lieferketten, anständiger Unternehmensführung ohne
       Verletzung von Menschenrechten und ohne Umweltzerstörung sowie der
       nachhaltigen Finanzierung.
       
       ## EU Waldzerstörer Nummer 2
       
       Die EU-Staaten sind nach China die zweitgrößten Waldzerstörer für die
       Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten. Doch die Agrarindustrie
       vernichtet auch die Prärie in den USA, das Grasland im brasilianischen
       Cerrado oder mit der Garnelenzucht die Mangroven in Indonesien, zeigt eine
       Studie der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Die EU treibt die
       Naturzerstörung weltweit an. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen
       dem Konsum in der EU und der Umwandlung natürlicher Ökosysteme“, schreibt
       der WWF in der am Dienstag veröffentlichten Studie „Mehr als Wald“.
       
       Die EU-Parlamentarierin Delara Burkhardt (SPD) fordert, dass auch Savannen,
       Moore und andere Naturräume als der Wald in die Verordnung aufgenommen
       werden. Zudem müssten Banken und die Finanzakteure mit der Verordnung
       verpflichtet werden, keine Entwaldung oder die Zerstörung anderer
       Ökosysteme zu finanzieren.
       
       Die Finanzindustrie kommt bislang nicht vor in der
       Anti-Entwaldungs-Verordnung. „Wir müssen Schlupflöcher stopfen und die
       Verordnung zu einem scharfen Schwert machen“, sagt Burkhardt, die auch
       dafür kämpft, dass die Landnutzungsrechte von indigenen
       Waldbewohner:innen berücksichtigt werden.
       
       [4][Delara Burkhardt hat 2020 den Entwurf für eine entwaldungsfreie
       Lieferkette] in das Parlament eingebracht, den dann die Kommission
       ausgearbeitet hat. Sie hatte gefordert, dass auch die Biodiversität in
       Steppen, Mooren und anderen Ökosystemen geschützt wird.
       
       Damit wollte sie von Beginn an das Ausweichen der Agrarindustrie auf
       gefährdete Ökosysteme verhindern. Nach dem Amazonas Soya Moratorium von
       2006 haben die Agrarkonzerne die Sojabohnen in der Wald- und Graslandschaft
       des brasilianischen Cerrado angebaut. Mittlerweile hat die Industrie dort
       eine Fläche in der Größe Großbritanniens vernichtet.
       
       18 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmuv.de/pressemitteilung/gemeinsam-fuer-umwelt-landwirtschaft-und-klima
 (DIR) [2] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/renaturierung-anti-entwaldung-feuchtgebiete-und-3-milliarden-baeume
 (DIR) [3] /Erste-Bundestagsrede-als-Agrarminister/!5828371
 (DIR) [4] https://www.delara-burkhardt.eu/2020/06/15/bericht-wald/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Fokken
       
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