# taz.de -- Antifaschistisches Bildungszentrum in Göttingen: Die Nazi-Expert*innen
       
       > Das Antifaschistische Bildungszentrum und Archiv dokumentiert, was die
       > extreme Rechte macht. Außerdem gibt es dort Workshops und Vorträge.
       
 (IMG) Bild: Für alle zugänglich: das Antifaschistische Bildungszentrum und Archiv Göttingen
       
       GÖTTINGEN taz | Antifa bleibt Handarbeit. Im Antifaschistischen
       Bildungszentrum und Archiv in Göttingen (ABAG) heißt das statt
       demonstrieren: Bücher sammeln, kategorisieren, Listen anlegen. „Deutschland
       schafft sich ab“, „Mein Kampf“ – das ABAG sammelt Bücher der extremen
       Rechten in Deutschland. Vieles davon stammt von Privatpersonen, die hinter
       den Krimis und Wörterbüchern ihrer Großeltern Nazi-Literatur gefunden
       haben.
       
       Eine Gruppe von Aktivist*innen hat das [1][ABAG] 2018 gegründet. „Die
       Idee war, ein Archiv von unten aufzubauen“, sagt Damian Ott, Mitarbeiter im
       ABAG. Es ist öffentlich zugänglich und nach einer Nachricht an die
       Mitarbeiter*innen des Archivs kann jede*r die „Nation Europa“ mit
       ihrer Kolumne „Neues von der Überfremdungsfront“ oder die rechte
       Schülerzeitung „Komet“ durchforsten. Sie lagern auch wissenschaftliche
       Literatur über rechtsextreme Bewegungen – im Raum Göttingen und bundesweit.
       
       Das ABAG ist nicht nur ein Archiv, sondern auch ein Bildungszentrum. Die
       Mitarbeiter*innen veranstalten Workshops, zum Beispiel zum Erkennen
       von Nazi-Modemarken, und halten Vorträge über [2][Neonazi-Strukturen in
       Südniedersachsen] und Nordthüringen. Manchmal werden sie auch direkt
       gebeten, über extreme Rechte zu sprechen. Im Januar hielten sie nach einer
       Anfrage des Bildungswerks von Ver.di einen Vortrag über die
       [3][Querdenken-Proteste] in der Region.
       
       Das ABAG ist ein unabhängiger Verein. Es finanziert sich durch seine
       Mitglieder und manchmal durch projektgebundene Fördermittel. Seit 2020 Jahr
       gibt es außerdem jährlich die Zeitschrift „Hingeschaut!“ heraus, in der es
       das Material des jeweiligen Jahres analysiert. Das rohe Material, also
       Sticker, Flyer, Bücher sind in einer Chronik einsehbar. So können
       Wissenschaftler*innen, Studierende, Journalisten oder Privatpersonen
       alleine recherchieren. „Wir richten uns an eine interessierte
       Öffentlichkeit“, sagt Micky Caulfield vom ABAG dazu. Und das ABAG ist auch
       auf diese Öffentlichkeit angewiesen: Wer zum Beispiel rechtsextreme
       Aufkleber findet, kann sie ans Archiv schicken.
       
       Das ABAG ist weder das größte noch das älteste ausgewiesene
       antifaschistische Archiv in Deutschland. Es gibt zum Beispiel das große
       [4][Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin (APABIZ)],
       das 1991 gegründet wurde. Antifaschistische Archive in München, Berlin,
       Düsseldorf, Marburg und Bielefeld haben zudem einen gemeinsamen
       Online-Katalog, den „Bibliotheks-Verbundkatalog antifaschistischer
       Archive“.
       
       Die Gründung des Archivs in Göttingen wurde von den größeren Archiven im
       Rest des Landes inspiriert, sagt Damian Ott vom ABAG. Der Blick auf die
       Geschichte der rechtsradikalen Bewegungen könne zeigen, dass einzelne
       Bewegungen und Praxen eben nicht neu sind.
       
       Ein aktuelles Beispiel dafür: die Identitäre Bewegung. Teil dieser
       speziellen Nazi-Marke sei es, neue Begriffe für alte faschistische Ideen zu
       prägen.
       
       Zum Beispiel ist der Begriff „Ethnopluralismus“ schlicht „Blut und
       Boden“-Ideologie. Also nicht neu, wie Damian Ott sagt. Das Wort und das
       Konzept sei fast 50 Jahre alt. Das neue Gewand der Identitären Bewegung
       hätte man so wegreißen können, meint Damian Ott: „Man hätte der
       Öffentlichkeit eine Menge unbegründeter Berichterstattung ersparen können,
       wenn die Leute die Geschichte der Rechten nachgeschlagen hätten.“
       
       26 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://antifaschistisches-archiv.org/
 (DIR) [2] /Landkreis-haelt-Antifa-Broschuere-zurueck/!5721094
 (DIR) [3] /Querdenken-Bewegung/!t5718280
 (DIR) [4] /Dokumentationszentrum-Apabiz-wird-30/!5809016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Bullerdiek
       
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