# taz.de -- Frauentag in der Ukraine: Ukrainische Heldinnen
       
       > Tausende Ukrainerinnen wollen ihr Land nicht verlassen. Mehr noch: Sie
       > verteidigen ihr Land auf ihre Weise. Zwei von ihnen im Porträt.
       
 (IMG) Bild: Solidarität, die keine Grenzen kennt: Blumenverkäuferin in Odessa am 8. März 2022
       
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       KIEW taz | Im Krieg kennen sie keine Müdigkeit. Die einen verteidigen das
       Land mit Waffen. Andere hängen rund um die Uhr am Telefon und organisieren
       humanitäre Hilfe, Medikamente für Verletzte und Alleinstehende. Wieder
       andere retten Leben in Krankenhäusern, kochen Essen für Tausende von
       Menschen. Es gibt Frauen, die Tag und Nacht am Steuer sitzen und
       Medikamente an die Front bringen, andere bekämpfen die Feinde an der
       Nachrichten- oder Cyberfront. Und einige verteidigen die Kinder und
       erziehen die nächste Generation. Sie alle sind ukrainische Frauen, deren
       Solidarität keine Grenzen kennt. Und auch sie sind Heldinnen, auch wenn
       ihre Front weniger sichtbar ist.
       
       ## Die Essensbeschafferin
       
       Die Philologin Olesja Naumowska ist Leiterin des Lehrstuhls für
       Folkloristik an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew. In
       ihrer Freizeit ist sie schon seit acht Jahren als Freiwillige tätig. Viele
       Soldaten kennen sie noch aus der Zeit, als die Kampfhandlungen im Donbass
       begannen. Sie versorgte damals ukrainische Soldaten mit Thermounterwäsche,
       Nachtsichtgeräten oder mit selbsteingewecktem Essen. Als der Krieg in ihre
       Heimatstadt Kiew kam, wollte sie nicht abseits stehen. Jetzt versorgt
       Naumowska Freiwillige, die sich für die Territorialverteidigung Kiews
       gemeldet haben, mit Essen.
       
       „Aus Sicherheitsgründen kann ich nicht sagen, wie vielen Menschen und wo
       ich helfe. Aber täglich verteile ich in der Stadt etwa 400 fertige
       Mahlzeiten. Die Einheiten, die ich unterstütze, befinden sich bei
       strategisch wichtigen Objekten der ukrainischen Hauptstadt“, erzählt die
       Wissenschaftlerin. Ihr Mann und ihre Tochter helfen ihr. „Solange es keine
       Veranstaltungen an der Uni gibt, bin ich von morgens bis abends mit der
       Essensversorgung beschäftigt.“
       
       Naumowska hat ein Restaurant gefunden, das aus Kriegsgründen den Betrieb
       einstellen musste. Der Inhaber hat selber die Zubereitung der Mahlzeiten
       fürs Militär initiiert. Jeder tut, was er kann, sagt Naumowska. Einige
       ihrer Uni-Kollegen und auch Studierende seien in der Verteidigung aktiv.
       „Unsere Solidarität und gegenseitige Unterstützung können jede Armee
       aufhalten.“
       
       ## Die Medikamentenbesorgerin
       
       Ludmila Jankina, die im Menschenrechtszentrum ZMINA in Kiew arbeitet,
       wollte ebenfalls nicht untätig bleiben, als die russische Invasion in der
       Ukraine begann. Selber erst kürzlich an Krebs erkrankt und auf Medikamente
       angewiesen, merkte sie schnell, dass diese in den Apotheken nicht mehr zu
       bekommen waren. In dieser kritischen Situation wurde ihr schnell klar, dass
       es hier nicht nur um ein persönliches Problem ging, sondern dass viele
       Tausend Kiewer betroffen sein mussten. So beschloss sie, selber denjenigen
       zu helfen, die dringend Medikamente benötigten.
       
       „Ich nehme Bestellungen von den Leuten auf, dann telefoniere ich alle
       Apotheken in der Stadt durch, um zu finden, was sie brauchen. Und dann
       liefere ich auch selber aus“, sagt die Frau, die eigentlich aus dem
       ostukrainischen Luhansk stammt, von wo sie wegen des Krieges fliehen
       musste.
       
       Ludmila erzählt, wie sie am ersten Tag merkte, dass es sich bei den meisten
       dieser Menschen, denen sie Medikamente brachte, um alleinstehende Rentner
       handelte. „Am nächsten Tag haben wir ihnen große Lebensmittelpakete
       mitgebracht. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Menschen verhungern. In
       der Stadt gibt es jetzt bereits Defizite in der Versorgung, und diese Leute
       haben einfach körperlich nicht mehr die Kraft, um auf der Suche nach Brot
       und Milch mehrere Geschäfte abzulaufen“, sagt die Menschenrechtlerin
       energisch.
       
       Über eine ihrer Schützlinge berichtet Ludmila mit Tränen in den Augen:
       „Eine ganz alte Dame, den Ehemann und die zwei Söhne hat sie schon zu Grabe
       getragen, ist ganz allein geblieben. Sie erinnert sich noch an den Zweiten
       Weltkrieg, den Holodomor (die große Hungersnot von 1931/32, der in der
       ukrainischen Sowjetrepublik mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen;
       Anm. der Redaktion) und die sowjetischen Repressionen. Und jetzt gibt es
       wieder einen Krieg, und sie weint und erzählt, dass sie Angst hat alleine,
       wenn die Raketen über ihr Haus fliegen.“ Täglich beliefert Ludmila etwa 15
       Adressen und fast überall handelt es sich um alte, alleinstehende Menschen,
       die selbst kaum noch mobil sind.
       
       Ebenfalls auf Ludmilas Konto geht die Hilfe für die gesprengte
       Leichenhalle, wo spezielle Säcke benötigt wurden, außerdem hat sie 20
       Tonnen Sand organisiert, um die Barrikaden in der Nähe der Kiewer Blutbank
       zu verstärken.
       
       Das Geld für die Medikamente, Benzin und andere Dinge sammelt Ludmila über
       ihre Facebook-Seite, und ihre Freunde nennen sie bereits
       „Medikamenten-Engel“. Auch weil sie jeden Tag unter dem Dröhnen der Sirenen
       unermüdlich vom rechten zum linken Dnipro-Ufer fährt, durch die
       Checkpoints, Umleitungen und an Barrikaden vorbei, die in den letzten
       Wochen überall in Kiew errichtet wurden. Ständig ist sie in Gefahr, unter
       Beschuss zu geraten.
       
       „Ja, ein paar Mal sind schon Raketen ziemlich dicht neben mir
       eingeschlagen. Aber was soll man machen? Die Leute brauchen trotzdem Hilfe,
       völlig unabhängig davon, was gerade am Himmel fliegt“, sagt Ludmila. Es sei
       ihr persönlicher Beitrag zum Kampf der Ukraine gegen Russlands Krieg. „Ich
       bin Teil der Verteidigung Kiews, ich bleibe hier bei meinen Leuten“,
       erklärt Ludmilla ihre Motivation.
       
       Der in der Ukraine traditionell beliebte Feiertag am 8. März wird dieses
       Jahr von den russischen Bombardierungen getrübt und vom schweren Kampf der
       Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den Überfall der russischen Armee. Deshalb
       ist nach dem ukrainischen Kalender an diesem Tag auch nicht der 8. März,
       sondern der 13. Kriegstag.
       
       Aus dem Russischen [2][Gaby Coldewey]
       
       8 Mar 2022
       
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