# taz.de -- Psyche bei Armut: Vor der Krankheit gleich
       
       > Menschen in prekären Verhältnissen sind stärker von psychischen
       > Erkrankungen betroffen. Das Leiden erhöht wiederum das Armutsrisiko. Ein
       > Teufelskreis.
       
 (IMG) Bild: Waschmaschine kaputt: Armut erzeugt Stress, und Stress kann krank machen
       
       Wussten Sie, dass von Armut Betroffene besonders häufig an psychischen
       Störungen erkranken?
       
       Wer in prekären Verhältnissen lebt, sich also ständig überlegen muss, ob
       das Geld reicht, steht unter extrem hohem Stress. Wie bezahle ich die
       Klassenfahrt des Kindes? Was mache ich, wenn die Waschmaschine kaputtgeht?
       Besteht der Stress über einen langen Zeitraum, wird gar chronisch, wirkt
       sich das auf die Gesundheit aus. Herz-Kreislauf-und
       Magen-Darm-Erkrankungen, Diabetes und auch psychische Störungen können die
       Folge sein.
       
       Nun sehe ich vor meinem geistigen Auge bereits Topmanager*innen
       protestierend die Hände heben – von wegen erhöhtem Stresspotenzial. Und
       klar: Jede*r kann psychisch erkranken. Das ist ja eigentlich das „Tolle“
       daran; vor der Störung sind wir alle gleich. Fast jedenfalls. Denn Menschen
       mit mehr finanziellen Ressourcen können dem aufkeimendem Stress etwas
       entgegensetzen. Wer Geld hat, kann es sich leisten, seine Work-Life-Balance
       aufrechtzuerhalten. Bei wem es akut wird, der*die kann sich eine Auszeit
       gönnen und gegebenenfalls selbst für Therapiekosten aufkommen.
       Geringverdiener*innen können das nicht.
       
       So erzählte die Schriftstellerin Ronja von Rönne in einem Interview, dass
       sie bei ihrer letzten schweren Depression in eine private Klinik ging. Dort
       gab es nicht nur sofort einen Platz für sie, sondern auch ein
       Fitnesscenter, einen Malsaal und dreimal die Woche Einzeltherapie. Als
       „obszön und pervers“ beschrieb sie den Unterschied zu der öffentlichen
       Einrichtung, in der sie zuvor einmal war. Wer arm ist, darf halt nur den
       Standard erwarten.
       
       ## Angst vor der Abwärtsspirale
       
       Wussten Sie, dass psychisch Erkrankte besonders von Armut betroffen sind?
       
       Die Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen erreichten im
       vergangenen Jahr einen Höchststand. Laut dem Psychoreport der DAK waren
       Versicherte durchschnittlich rund 39 Tage deshalb krankgeschrieben. Werden
       psychische Störungen chronisch, kann dies bis hin zur Arbeitsunfähigkeit
       führen, was, wer hätt’s geahnt, wiederum das Armutsrisiko erhöht. Das Fiese
       an Erkrankungen der Psyche ist ja, dass Prognosen zur Genesungszeit
       mindestens schwierig sind. Als ich letzthin von meiner Ärztin
       krankgeschrieben wurde, setzte sie zehn Tage an. Nachdem diese verstrichen
       waren, war ich ratlos. Vermutlich hätte ich eine längere Auszeit gebraucht,
       aber da ist eben immer auch die Angst, die einem im Nacken sitzt. Die Angst
       vor der Abwärtsspirale. Was, wenn ich zu lang raus bin? Schaffe ich den
       Einstieg dann überhaupt wieder? Wann wird aus lang zu lang? Ich muss wohl
       nicht betonen, dass diese Angst zu vermehrtem Stress führt, der dann wieder
       … Na, Sie wissen schon.
       
       Wie also umgehen mit dieser Situation, in der ein Elend das andere bedingt?
       Neben niedrigschwelligen psychologischen Hilfsangeboten könnte dies
       erfolgversprechend sein: ein bedingungsloses Grundeinkommen.
       
       5 Apr 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophia Zessnik
       
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