# taz.de -- Bafög-Reform der Ampel: Wer Geld hat, kriegt weniger
       
       > Die Regierung will das Bafög elternunabhängiger machen. Wieso nur?
       > Ungleichheit erfordert Ungleichbehandlung.
       
 (IMG) Bild: Alle gleich? Erstsemester-Begrüßung im Winter 2019 an der Universität Köln
       
       Bafög ist für mich eine Abkürzung, die viele Gefühle auslöst.
       Erleichterung, Überforderung, Dankbarkeit, Frust. Alle paar Monate, wenn
       sich das Bafög in Form der Ratenrückzahlung zurückmeldet, erinnere ich mich
       an diese Gefühle. Manchmal denke ich dann: Ohne Bafög hätte ich vielleicht
       gar nicht studieren können. Dann wäre an dieser Stelle ein anderer Text
       eines anderes Autors erschienen.
       
       Aktuell weckt die vom Bundeskabinett beschlossene Bafög-Reform
       Erinnerungen. [1][Die 27. Bafög-Novelle bringt mehr Geld], mehr
       Wohnpauschale, die Altersobergrenze von Bafög-Empfänger:innen wird von 30
       auf 45 Jahre angehoben. Angesichts steigender Preise und historischer
       Inflation bleibt das Leben als Bafög-Empfänger:in trotzdem eine
       Herausforderung.
       
       Weshalb das Deutsche Studentenwerk 10 statt der jetzigen 5 Prozent Erhöhung
       der Bedarfssätze fordert. Dem und auch allem, was über diese Forderung
       hinausgeht, kann ich nur zustimmen. Jedes Mehr im Zusammenhang mit dem
       Bafög ist begrüßenswert. Nur in einem Punkt ist es das nicht.
       
       Denn das Bundeskabinett hat auch beschlossen, das anrechnungsfreie
       monatliche Elterneinkommen von 2.000 Euro auf 2.400 Euro zu erhöhen. Damit
       will Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) [2][die Reichweite
       der staatlichen Unterstützung ausdehnen], also den Kreis der
       Empfänger:innen erweitern. Deren Zahl nimmt [3][seit zehn Jahren
       kontinuierlich ab]. Weil 2.000 und 2.400 Euro nicht weit voneinander
       entfernt sind und 2.400 Euro immer noch sehr wenig Geld ist, ist die
       aktuelle Maßnahme nicht das Problem. Ein Problem wäre es aber, wenn der
       Freibetrag in Zukunft weiter und massiver angehoben würde, damit noch mehr
       Menschen Bafög bekommen. Und wenn die Berechtigung immer weniger von den
       Finanzen der Eltern abhängen würde. Im Ampel-Koalitionsvertrag steht, man
       wolle das Bafög elternunabhängiger machen.
       
       ## Wirksame Förderungen
       
       Dabei hat die Elternabhängigkeit des Bafögs einen guten Grund: Die einen
       werden in Familien mit wenig, die anderen in Familien mit viel Geld
       hineingeboren. Möchte man ein wirksameres Förderprogramm, sollten
       diejenigen mehr bekommen, die wenig haben. Möchte man die Reichweite
       ausdehnen, wäre es hilfreich, bedürftige Menschen gezielter anzusprechen,
       ihnen den Zugang zu erleichtern und den ultrabürokratischen Prozess der
       Antragstellung zu entkomplizieren (deshalb Frust und Überforderung!).
       
       Die aktuelle Bafög-Reform hat so auch eine besonders lästige Erinnerung bei
       mir geweckt: die an Kommiliton:innen mit reichen Eltern, die darüber
       klagen, dass sie kein Bafög bekommen, dass das doch unfair sei, weil sie
       gerne auch so unabhängig von ihren Eltern wären. Was sie nicht gecheckt
       haben: Eine Gesellschaft mit großer Ungleichheit muss der Ungleichheit nun
       mal mit Ungleichbehandlung begegnen, will sie den Anschein einer
       demokratischen Gesellschaft nicht komplett verlieren.
       
       8 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kabinett-beschliesst-Bafoeg-Erhoehung/!5843502
 (DIR) [2] https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/2022/04/220406-bafoeg-aenderung.html
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/news/2022-04/06/studierenden-winkt-ab-wintersemester-mehr-bafoeg
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Volkan Ağar
       
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