# taz.de -- Museumsbund wählt Präsidentin: Wiebke Ahrndt soll's machen
       
       > Noch nie hatte der Deutsche Museumsbund eine Präsidentin. Nun hat der
       > Vorstand die Direktorin des Bremer Überseemuseums vorgeschlagen.
       
 (IMG) Bild: Soll auf Vorschlag des Vorstands neue Präsidentin des Museumsbundes werden: Wiebke Ahrndt
       
       BREMEN taz | Nicht, dass Wiebke Ahrndt nur Lob bekommen würde. Im
       Gegenteil: Einerseits wird die Direktorin des Überseemuseums für Völker-,
       Natur- und Handelskunde von den altgeborenen weißen Männern der Bremischen
       Öffentlichkeit angefeindet. Denn beharrlich treibt sie ja die
       Dekolonialisierung des Hauses voran, das sie seit 2002 leitet, und nimmt so
       den möglichen Verlust von Sammlungs-, im Klartext: Raubgut, in Kauf.
       
       Diesen Prozess wiederum hat sie sogar selbst musealisiert und als eigene
       Abteilung in die Dauerausstellung aufgenommen. Das ist spannend.
       Andererseits zieht die gebürtige Braunschweigerin, die auf der
       Plenarsitzung am 10. Mai auf Vorschlag des Vorstands zur Präsidentin des
       Deutschen Museumsbundes gewählt werden wird, mitunter auch den Unmut der
       antirassistisch-engagierten Szene auf sich.
       
       Denn eine Aktivistin, wie ihr Vor-Vorgänger Herbert Ganslmayr in den
       1980ern, ist sie nun auch nicht. Dass es im Überseemuseum nach wie vor
       keine Führungen durch People of Color gibt und keine
       Kurator*innenstellen wird moniert. Und das koloniale Unrecht dort
       aufzuarbeiten, wo es so handgreiflich vorzuliegen scheint, wie eben in den
       ethnologischen Sammlungen, geht auch insgesamt [1][viel langsamer und viel
       unspektakulärer voran, als es sich Teile der „Decolonize!“-Bewegung
       wünschen würden].
       
       Deren starken emotionalen Druck kommt Ahrndt in ihrer sehr direkten,
       mitunter geradezu spröde-sachlichen Art wenig entgegen. Und dass sie für
       das scheinbar geringe Tempo mitverantwortlich ist, lässt sich nicht
       leugnen. Sie setzt auf akribische Aufarbeitung – und entfaltet damit
       bundesweit Wirkung.
       
       ## Definition der Leitlinien
       
       Denn immerhin ist sie seit 2013 federführend beim Erstellen der
       Handreichungen des deutschen Museumsbundes [2][für den Umgang mit „Human
       Remains“ gewesen], also mit den von Völkerkundlern und Militärs unter dem
       Vorwand der Forschung gesammelten Schädeln, Skeletten und Mumien. Die
       jüngste Neufassung ist 2021 erschienen.
       
       Ebenso hat die Altamerika-Expertin – in ihrer Dissertation hatte sie die
       [3][Schriften von Alonso de Zurita untersucht, eines Beamten der spanischen
       Verwaltung Mexikos im 16. Jahrhundert] – die Arbeitsgruppe geleitet, die
       Leitlinien eines guten musealen Umgangs mit Beständen aus kolonialen
       Kontexten definieren sollte. Vier Jahre hat das gedauert, seit 2021 liegt
       „die dritte und finale Fassung“ vor.
       
       Und auch in ihr spielt das Problem der Inventarisierung eine Hauptrolle.
       Denn diese so basale Form der Wertschätzung hatten westliche Museen den in
       Afrika und in Ozeanien erworbenen Objekten verweigert. Die Sachen wurden
       einfach gehortet und angehäuft. Als dringlichsten kuratorischen Auftrag hat
       Ahrndt daher [4][den „Wunsch, zu wissen“ bestimmt].
       
       Gegenkandidat*innen soll es bislang noch keine geben. An der Spitze
       des Museumsbundes wäre Ahrndt die erste Frau. Kein ganz neues Gefühl für
       sie: Von 2011 bis 2018 war sie bereits seine erste Vizepräsidentin.
       
       15 Apr 2022
       
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 (DIR) [3] https://www.iae.uni-bonn.de/forschung/promotionsprojekte/promotionen-abgeschlossen
 (DIR) [4] /Museumsdirektorin-ueber-koloniale-Stuecke/!5398963
       
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 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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