# taz.de -- EU plant Kontrollen gegen Überfischung: Den Fischern auf die Finger gucken > Die EU verhandelt darüber, wie man am besten den Rückwurf von Fischen > verhindert. Der WWF übt in einer Studie Kritik an den Vorschlägen. (IMG) Bild: Fischer werfen Fische zurück ins Meer, wenn sie zu klein sind. Oder nicht gefangen werden dürfen BERLIN taz | In einer Studie zur Fischereikontrolle bemängelt die Artenschutzorganisation WWF, dass es keine ausreichende Überwachung von Rückwürfen gibt. Sowohl die aktuellen Pläne des EU-Parlaments als auch die des Europäischen Rates seien daher unzureichend. Fischer*innen werfen Fische zurück ins Meer, wenn sie zu klein oder beschädigt sind, aber auch, wenn sie sie eigentlich nicht fangen [1][dürften]. Dadurch werden in der EU jährlich hunderttausende Tonnen verschwendet, und – weil die Fische meist sterben oder bereits tot sind – [2][die Ökosysteme stark belastet]. Außerdem lassen sich dadurch die Fischbestände schlechter feststellen, so dass Überfischung wahrscheinlicher wird. Damit Fischer*innen selektiver und vorsichtiger arbeiten, will die EU Rückwürfe schon seit Jahren verbieten. Seit 2019 müssen fast alle Fischer*innen ihren gesamten Fang anlanden, damit dokumentiert werden kann, welche Fische – seien sie zu klein, beschädigt oder über der Fangquote – sie gefangen haben. Der blinde Fleck dieser Regelung ist, dass der Rückwurf auf dem Meer stattfindet – also vor dem Anlanden. Deswegen verhandeln die EU-Institutionen über die Überwachung der Schiffe auf hoher See. Ihr wichtigster Bestandteil ist die Elektronische Fernüberwachung, die mithilfe von Sensoren und Kameras den Fang dokumentieren sollen. Auf welchen Schiffen diese Fernüberwachung verpflichtend werden soll, verhandeln nun Kommission, Parlament und Rat. ## Die Größe der Schiffe ist gar nicht so wichtig Während die Kommission vorschlägt, je nach Risiko des Schiffs- und Fangtyps zur Fernüberwachung zu verpflichten, wollen Parlament und Rat die Schiffslänge zum ausschlaggebenden Kriterium machen. Das ist aber laut der WWF-Studie nicht besonders sinnvoll. Denn obwohl die mehr als 24 Meter langen Schiffe den meisten Fisch zurückwerfen, ist das Verhältnis von Rückwurf zu gefangener Tonne Fisch geringer als bei den kleineren Schiffen, weil große Schiffe auch schlicht viel Fisch fangen. Außerdem seien drei von vier Fischereischiffen kürzer als zwölf Meter und verbringen insgesamt viel mehr Zeit auf See. Ihre Motivation, Fische zurückzuwerfen, sei zudem höher, weil sie schlicht weniger Platz haben und deswegen kleine Fische, die weniger wert sind, ihre Profitabilität gefährden. Viel wichtiger sei, mit welchem Gerät die Fischer*innen ihren Fisch fangen. Die Studienautor*innen haben festgestellt, dass 92 Prozent des Rückwurfs auf Schiffen geschieht, deren Netze den Meeresboden berühren. Sie verlangen deswegen, dass alle mehr als zwölf Meter langen Fischereischiffe mit Fernüberwachung ausgestattet werden müssen. Schiffe, die kleiner sind, sollen dann dazu verpflichtet werden, wenn ihrer Fangtechnik besonders häufig zu kleine oder [3][gefährdete Fische] ins Netz gehen. So sollen Rückwürfe verhindert und bessere Daten zum Fang gesammelt werden können. Das große Problem der Studie ist, dass es für 73 Prozent der Fangmenge überhaupt keine Rückwurfdaten gibt. Stella Nemecky, die an der Studie beteiligt war, sagt aber, dass aufgrund der Größe des Datensatzes – 330.000 Einträge – trotzdem verlässliche Aussagen gemacht werden können. Der Bias der Studie liege vor allem bei einer Überbetonung der Meeresbodenfischerei, die aber ohnehin am meisten Beifang produziere. Eine verlässliche Angabe zur Menge der Rückwürfe zu machen, sei mit den vorhandenen Zahlen unmöglich. 10 Apr 2022 ## LINKS (DIR) [1] /Fischbestaende-weltweit-bedroht/!5787280 (DIR) [2] /Plastikmuell-im-Meer/!5830658 (DIR) [3] /Petition-der-Woche/!5827289 ## AUTOREN (DIR) Jonas Waack ## TAGS (DIR) Meeresschutz (DIR) klimataz (DIR) Fischerei (DIR) Naturschutz (DIR) Überfischung (DIR) Meere (DIR) Stadtland (DIR) WWF (DIR) Meere (DIR) Schwerpunkt Flucht (DIR) Nordsee (DIR) FDP ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) UN-Konferenz zum Meeresschutz: Kein Schutz für hohe See Zwei Drittel der Meeresgebiete befinden sich außerhalb nationaler Hoheitsgebiete. Verhandlungen zum Schutz der Hochsee sind nun gescheitert – erneut. (DIR) Arbeit an der Ostsee: Das Fischersterben Früher lebten in Barth viele vom Fischen in der Ostsee, heute sind es nur noch zwei. André Grählert und David Graf aber geben nicht auf. (DIR) Führung des Umweltverbands WWF: Außen flauschig, innen Krise Leitende Angestellte von WWF Deutschland kritisieren die Führung der Umweltorganisation. Sie beklagen mangelhaften Umgang mit einem Compliance-Fall. (DIR) Tintenfischfarm vor Gran Canaria: Zu viel Stress für Oktopusse Ein spanischer Fischereikonzern plant, vor Gran Canaria Oktopusse heranzuziehen. Jährlich 3.000 Tonnen sollen ab 2023 auf den Markt kommen. (DIR) Geflüchtete in London: Die vier von der Parkbank Was geschieht mit denen, die in Booten aus der EU nach Großbritannien gelangen? Vier junge Männer aus Ägypten, Eritrea, Irak und Iran erzählen. (DIR) Erdgasförderung in Deutschland: Er will an die Nordsee Bundesfinanzminister Lindner will Öl und Gas aus der Nordsee. Damit legt er sich mit seinen Koalitionspartnern an. (DIR) Die FDP und der Benzin-Rabatt: Plötzlich ist der Markt egal Beim Klimaschutz wollte die FDP komplett auf Preismechanismen setzen. Doch sobald das Benzin tatsächlich teuer wird, ist Klientelpolitik wichtiger.