# taz.de -- Soli-Konzert in Hamburg: Mit Musik gegen Putler
       
       > Eine Stunde Trost: Die ukrainische Band Dakh Daughters spielt in Hamburg.
       > Dafür reisen geflüchtete Landsleute auch von weit her an.
       
 (IMG) Bild: Die ukrainische Band Dakh Daughters begeistert Hamburg
       
       „Stop russian aggression in Ukraine“ steht groß auf den Bühnenhintergrund
       projiziert, daneben zwei stilisierte Hände mit „Stop War“ darin. Auf der
       Bühne warten all die Instrumente auf ihren Einsatz, ohne die kaum eine
       Beschreibung der [1][Dakh Daughters] auskommt: zwei Kontrabässe, Trommeln,
       Keyboard, ein Akkordeon, etliches mehr. Auch ein Pult steht da: Mit einem
       „Grußwort“ ist Iryna Tybinka angekündigt, Generalkonsulin der Ukraine in
       Hamburg. Herrschte in der Ukraine nicht Krieg, gäbe es dieses weit und
       breit einzige Konzert der Band aus der Kyiver Theaterlandschaft vermutlich
       gar nicht. Zu fünft stehen die ansonsten siebenköpfigen Daughters an diesem
       Abend da, beim anschließenden Publikumsgespräch wird sich auch ihr
       Quasi-Regisseur Vlad Troitsky zeigen.
       
       Es soll einiges, dieses Konzert: Aufmerksamkeit generieren, klar, aber auch
       Spenden sammeln – das Thalia Theater hatte sich früh nach dem russischen
       Angriff dazu bekannt, [2][bis zum Spielzeitende 100.000 Euro]
       zusammenbekommen zu wollen. Aber die vielleicht wichtigste Aufgabe des
       Abends zeigt sich an einem anderen Zahlenverhältnis: Ukrainer*innen
       bekamen Gratistickets, und sie sind im nicht ganz bis auf den letzten Platz
       gefüllten Haus deutlich in der Mehrheit; hauptsächlich Frauen, auch Kinder.
       
       Da ist es beinahe befremdlich, dass die Generalkonsulin Deutsch spricht –
       andererseits braucht sie teils erst vor Tagen in Deutschland angekommenen
       Landsleuten ja nicht zu erklären, wovor sie geflohen sind und wo sie ihre
       Männer zurückgelassen haben.
       
       Als die Musikerinnen auf die Bühne kommen, flimmern hinter ihnen übergroß
       Nachrichtenbilder an der Wand, manche sind bekannt, andere lassen sich
       nicht ohne Weiteres verorten. Düster beginnt das eigentliche Konzert, mit
       einer Schweigeminute, eine Stimme warnt, dass nun Schlimmes folge. Dieses
       Mittel, dieser durch abgestimmte Bilder verstärkte inhaltliche Anspruch
       zieht sich durch den Abend.
       
       ## Band ist schon lange politisch aktiv
       
       Dakh Daughters haben sich stets als politisch verstanden, waren
       [3][Begleiterinnen und Beteiligte der Maidan-Proteste]. Noch 2014 traten
       sie aber auch in Russland auf, sagten Dinge wie: „[4][Es ist kein Krieg in
       unseren Herzen.“] Hat sich das geändert seit dem vergangenen Februar? Ja,
       vermutlich. Von einer „art front“ wird Troitsky später sprechen, einem
       spezifischen Beitrag von Künstler*innen zu den Kriegsanstrengungen. Das
       Programm, das die Band nun aufführt, entstand in wenigen Tagen nach
       Kriegsbeginn, den Dakh Daughters von Paris aus miterlebten.
       
       Aber eine reine Propagandashow ist dieses Konzert auch wieder nicht.
       Irgendwann verkünden etwa die Obertitel den Glauben, dass Jesus Christus
       aufseiten der Ukraine kämpfe. Das ist politisches Statement, aber eben
       nicht nur. Rollenwechsel und Sprechen-Als-ob, die beinahe schon
       Markenzeichen gewordenen weiß geschminkten Gesichter und die Outfits
       zwischen Steampunk-Schulball und postapokalyptischer Winterreise: Theater
       und seine Mittel sind hier mindestens so sehr im Spiel wie ein westliches
       Verständnis von Pop mit seiner ganzen Nichtauthentizität.
       
       Die Musik ist mal getragen, flächig, klagend, dann kämpferisch – dass sich
       unpeinlich mitklatschen lässt: Auch das lässt sich an diesem Abend lernen.
       Einen, vielleicht den Höhepunkt bildet auch bei diesem Hamburger
       Konzertabend der maidanerprobte Gänsehautstifter „Hannusia“, bei dem sich
       Fäuste in die Luft recken und ein paar der sonst so disziplinierten
       Anwesenden aufspringen.
       
       Dankbarkeit drücken nachher mehrere Besucherinnen aus, dafür, dass die Band
       ihnen für eine kurze Zeit die Herzen erleichtert und die Leere gefüllt
       habe. Eine ist mit ihren Kindern 70 Kilometer gefahren um dabei zu sein,
       andere kamen sogar aus dem polnischen Wrocław.
       
       Ob sie denn auch schon ein Lied zum Sieg hätten, der ja nur eine Frage der
       Zeit sei, werden Dakh Daughters gefragt. Ja, man arbeite schon an einem
       groß angelegten Projekt eines zweiten „Nürnberger Prozesses“ – für
       „Putler“, so die Antwort.
       
       18 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Dakh-Daughters-Band-aus-der-Ukraine/!5848094
 (DIR) [2] https://www.thalia-theater.de/startseite/spenden-ukraine/
 (DIR) [3] https://www.theguardian.com/music/2014/may/29/rock-barricades-ukrainian-musicians-soundtracking-unrest
 (DIR) [4] https://www.kyivpost.com/lifestyle/dakh-daughters-sing-for-patriotism-love-of-ukraine-344074.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
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