# taz.de -- Onlinemarketing-Sause in Hamburg: Rockstars in den Messehallen
       
       > In Hamburg trifft sich der digitale Kapitalismus. Für den Glamour muss
       > aber ein Held des 90er-Jahre-Hollywood-Kinos sorgen.
       
 (IMG) Bild: Wenn die Onliner Glamour brauchen, muss einer wie er ran: Rockstarregisseur Quentin Tarantino
       
       HAMBURG taz | Dass Onlinemarketing das ist, [1][was die meisten Menschen
       nervt am Internet], ist natürlich nur schlecht informiertes Ressentiment.
       So, wie es jede Häme wäre über all die – völlig individuell, versteht sich
       – zu denselben Outfit- und sonstigen Geschmacksentscheidungen gelangten
       Leute, die sich am Dienstag schlangenförmig vor den Hamburger Messehallen
       angeordnet haben sollen: Da drin nämlich findet noch bis Mittwoch Abend das
       [2][Festival „OMR“] statt, dessen Veranstaltende diesmal 60–70.000
       Besucher*innen erwarten.
       
       Diese – laut lokalen Boulevardmedien – „Mega-Messe“ startete vor inzwischen
       elf Jahren als deutlich kleinerer Kongress „Online Marketing Rockstars“.
       Damals wie heute aber richtet man sich an „Online-Marketing-Macher, die
       fachlich auf dem Laufenden bleiben und sich vernetzen wollen“; es sollen
       übrigens auch ein paar Macher*innen gesehen worden sein im Lauf der
       Jahre … nee, Quatsch: Dass diese Branche eine besonders
       testosteron-schwangere wäre, ist auch wieder nur so ein Klischee in den
       Köpfen derer, die keine Akkreditierung ergattert haben.
       
       Um den Kongress-Kern gruppieren sich inzwischen auch eine Branchenmesse
       mit, so heißt es, über 500 Ausstellenden, es können Masterclasses besucht
       werden, „Guided Tours“ mitgemacht und „Side Events“ genossen – „Ihr bekommt
       so viel Content geliefert, wie noch nie“, heißt das dann auf der
       OMR-Homepage. Aber auch wenn Audi einer von zwei Hauptsponsoren ist, ist
       das Ganze natürlich keine dieser hüftsteifen Boomer-Messen, nein, es gibt
       auch Konzerte und Skaten und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, steht
       nicht auch der eine oder andere Tischfußballtisch auf dem Gelände herum.
       
       Abends stehen Konzerte auf dem Festivalprogramm, wer genau alles auftritt,
       wurde vorher nicht verraten, dafür aber, wer als „Speaker“ gewonnen werden
       konnte. Und das größte Bohei machen die Ausrichter*innen dann plötzlich
       gar nicht um einflussreiche Podcasterinnen wie [3][die famose Kara Swisher]
       oder all die ach so wagemutigen Tech-Investoren; wobei: Wenn nun Ashton
       Kutcher auftritt, dann tut er das nicht als Leinwand-Celebrity oder
       Klatschspalten-Gatte, sondern, eben, weil er auch schon Geld in Start-ups
       gesteckt hat, darunter welche, die sich mit maximal unsexy Kram
       beschäftigen wie: Versicherungen.
       
       ## Über-Nerd entdeckt das Netz
       
       Selbst Kutchers OMR-Teilnahme aber wird überschattet von der Quentin
       Tarantinos. Den konnten die OMR-Leute kriegen, weil ihn [4][das
       Filmfestival von Cannes] eh schon nach Europa führt. Am späten Mittwoch
       Nachmittag soll das [5][zuletzt etwas ins Zwielicht geratene] Wunderkind
       des 90er-Jahre-Kinos also in Hamburg sprechen – über Hollywood und „die
       neue Streaming-Welt“, aber auch die vielleicht ausgenudeltsten buzzwords
       weit und breit: „Podcasts, NFTs, Storytelling“.
       
       [6][Branchenmedien zufolge] plant Tarantino tatsächlich einen Podcast, „in
       dem er seine riesige Film- und Musiksammlung bespricht“. Nun sind Typen,
       die am Mikro ihr kulturelles Kapital ausbreiten, ein reichlich
       durcherzähltes Genre, und damit wäre Tarantino, dieser Über-Nerd,
       vielleicht 2005 vorne dran gewesen, aber gut: [7][Auch Hillary Clinton]
       podcastet heutzutage.
       
       Viel bezeichnender: Entweder sie hat noch keine echten eigenen Stars, diese
       [8][digital-mobil-interaktive, so ganz andere Industrie], die sich da
       versammelt; und muss deshalb auf einen leicht abgefrühstückten Vertreter
       einer anderen, vergangenen Ära setzen, wenn es glamourös werden soll. Oder
       Elon Musk hatte schlicht keine Lust.
       
       17 May 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://omr.com/de/events/omr22/
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=_rz0Gm7aNZQ
 (DIR) [4] /Schwerpunkt-Filmfestspiele-Cannes/!t5007920
 (DIR) [5] /Missbrauchsvorwuerfe-in-Hollywood/!5456396
 (DIR) [6] https://www.theverge.com/2021/12/14/22833976/quentin-tarantino-podcast-recording-hot-pod
 (DIR) [7] https://www.iheart.com/podcast/1119-you-me-hillary-clinton-71671764/
 (DIR) [8] /EU-Regeln-fuer-Tech-Konzerne/!5819296
       
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 (DIR) Alexander Diehl
       
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