# taz.de -- Sondervermögen für die Bundeswehr: Eine praktische Lösung
       
       > Ein Bundeswehr-Sondervermögen im Grundgesetz ist nicht schön, aber
       > richtig. Die Union sitzt mit im Boot und kann nicht mehr von außen
       > attackieren.
       
 (IMG) Bild: Gelingt ihr, woran ihre VorgängerInnen scheiterten? Verteidigungsministerin Lambrecht im März 2022
       
       Der Bundestag wird in ein paar Tagen [1][100 Milliarden Euro für die
       Bundeswehr bereitstellen]. Dieser Schuldenberg, euphemistisch
       Sondervermögen getauft, wird auch noch im Grundgesetz verankert. Anstatt
       Geld in Wohnungen und den klimaneutralen Umbau der Gesellschaft zu stecken,
       werden irrwitzig teure US-Kampfjets, Munition und Panzer gekauft. Der
       [2][Aktienkurs des Rüstungskonzerns Rheinmetall] hat sich seit [3][Olaf
       Scholz’ Zeitenwende-Rede] am 27. Februar verdoppelt.
       
       Die Grünen, die ein paar Milliarden Euro für zivile Konfliktprävention
       abzweigen wollten, haben sich nicht durchgesetzt. Der Slogan „In der
       Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix“ hat die Jahrzehnte der
       Bundesrepublik wie ein Refrain begleitet. Gilt er gerade jetzt? Kann, wer
       sich in der Tradition der militärkritischen Linken versteht, 100 Milliarden
       Euro für die Bundeswehr gutheißen?
       
       Ja, das kann man. Denn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat fast
       alles verändert. Wie weit die Ziele des russischen Imperialismus reichen,
       ist spekulativ. Es ist nötig, mit dem Schlimmsten zu kalkulieren. Selbst
       wenn es, wofür derzeit wenig spricht, einen Waffenstillstand in der Ukraine
       geben sollte – Deutschland und die EU werden sich auf einer dauerhafte
       Gewaltdrohung aus Russland einstellen müssen.
       
       Deutschland muss für alle Fälle buchstäblich gerüstet sein und braucht als
       Abschreckung eine funktionsfähige Armee. Entscheidend ist nun, wie viel von
       dem Geldregen fürs Militär in verfilzten Strukturen versickert oder wegen
       bürokratischer Überreglementierung ineffektiv eingesetzt wird. Man wird
       sehen, ob SPD-Verteidigungsministerin [4][Christine Lambrecht] gelingt,
       woran ihre VorgängerInnen scheiterten.
       
       Aber Grundgesetzänderung – muss das sein? Prinzipiell nein, realpolitisch
       gesehen ja. Die Ampel will das Wattekissen des ganz großen Konsenses, weil
       die FDP das Ja der Union braucht. Denn die Liberalen fürchteten, wegen noch
       eines Schattenhaushaltes böse unter Feuer zu geraten. Jetzt ist die Union
       im Boot und diese Gefahr gebannt.
       
       ## 2-Prozent-Ziel nicht im Grundgesetz
       
       In dieser machtpolitischen Konstellation wären alle anderen Möglichkeiten,
       mehr Geld für Militär zu mobilisieren, weitaus schwieriger gewesen. Mehr
       Geld für die Bundeswehr aus dem Haushalt zu finanzieren hätte bedeutet:
       weniger Geld für Soziales, Klima, Wohnungen. Das hätte Fliehkräfte in der
       Ampel ausgelöst.
       
       Erfreulich ist schließlich, dass die Pflicht, dauerhaft zwei Prozent der
       jährlichen Wirtschaftsleistung für Militär auszugeben, in der Verfassung zu
       verankern, vom Tisch ist. Die Union wollte das, zum Glück wurde nichts
       daraus. Kommenden Generationen vorzuschreiben, wofür der Staat Geld
       auszugeben hat, ist kurzsichtig, ja übergriffig.
       
       Der Weg über die Grundgesetzänderung für das Sondervermögen ist
       verfassungsästhetisch gesehen hässlich, politisch aber praktisch. Es
       verursacht am wenigsten Kollateralschäden. Für Kanzler Scholz ist diese
       Einigung kostbar. Sie ist ein Erfolg. Davon gibt es derzeit nicht so viele.
       
       30 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /100-Milliarden-fuer-Bundeswehr/!5857536
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 (DIR) [3] /Bundestags-Sondersitzung-zur-Ukraine/!5835039
 (DIR) [4] /Verteidigungsministerin-Lambrecht/!5851989
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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