# taz.de -- Südossetien und Russland: Doch kein Referendum
       
       > Der Präsident der von Georgien abtrünnigen Region bläst eine
       > Volksabstimmung zum Russland-Beitritt ab. Ein Grund könnten klamme Kassen
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Alan Gaglojew, Präsident der international kaum anerkannten Republik Südossetien
       
       BERLIN taz | Aus dem Referendum, bei dem die Südosseten am 17. Juli über
       einen Beitritt zur Russischen Föderation abstimmen sollten, wird vorerst
       nichts. Am Montag abend unterzeichnete der Präsident der von der
       Südkaususrepublik Georgien abtrünnigen Region, Alan Gaglojew, ein
       entsprechendes Dekret.
       
       Eine einseitige Entscheidung über ein Referendum, das legitime Rechte und
       Interessen Russlands tangiere, sei unzulässig, heißt es darin. Zudem seien
       die legalen Konsequenzen dieser Angelegenheit unklar. Gleichzeitig werden
       weitere Gespräche mit Moskau angekündigt, um eine Integration voran zu
       treiben. Doch der Rückzieher könnte auch andere Gründe haben. Böse Zungen
       behaupten, der Regierung des 52.000-Einwohner-Landstrichs, der
       wirtschaftlich vollständig von Russland abhängig ist, fehle schlicht das
       Geld für den Urnengang.
       
       Im August 2008 war zwischen Georgien und Russland ein Krieg um Südossetien
       ausgebrochen. Offiziellen Angaben zufolge wurden dabei 850 Menschen
       getötet, zwischen 2.000 und 3.000 verletzt sowie rund 100.000 zu
       Geflüchteten. Nach dem siegreichen Krieg erkannte Moskau die Unabhängigkeit
       Südossetiens an – ein Schritt, dem mit Nicaragua, Nauru, Venezuela und
       Syrien nur vier weitere Staaten folgten.
       
       Südossetien, wo auch russische Truppen stationiert sind, ist mittlerweile
       zu einem Quasi-Protektorat Russlands geworden. An der Demarkationslinie,
       die sich stetig weiter in das Landesinnere Georgiens hinein verschiebt,
       kommt es immer wieder zu Zwischenfällen in Form von Festnahmen
       Einheimischer wegen illegalen Grenzübertrittes. Die Gekidnappten müssen in
       der Regel von ihren Verwandten mit Geld ausgelöst werden.
       
       ## Moskaus Narrativ
       
       Gaglojews Amtsvorgäner, Anatoli Bibilow, hatte seine [1][Vereinigungspläne
       mit Russland] bereits Ende März angekündigt. Russland habe immer alle, die
       ihm gegenüber loyal gewesen seien, verteidigt und stets gegen den Nazismus
       gestanden, hatte er argumentiert – eine Anspielung auf Moskaus Narrativ,
       die Ukraine mittels einer „Spezialoperation“ „entnazifizieren“ zu wollen.
       
       Die Vereinigung mit Russland war auch eine zentrale Botschaft Bibilows
       während seiner Wahlkampagne vor der Präsidentenwahl am 10. April gewesen.
       Knapp einen Monat später unterlag er in der Stichwahl deutlich seinem
       Konkurrenten Alan Gaglojew.
       
       Gaglojew, der 15 Jahre beim südossetischen Geheimdienst auf der
       Gehaltsliste stand, hatte Bibilow vorgeworfen, die Frage einer Vereinigung
       mit Russland für sich zu instrumentalisieren. Zudem habe Russland dieser
       Tage andere Prioritäten.
       
       Nur wenige Tage nach seinem Wahlsieg waren von Gaglojew dann plötzlich
       andere Töne zu hören gewesen. Er sei nicht gegen ein Referendum, doch dafür
       brauche es entsprechende Signale aus Moskau, zitierte ihn die russische
       staatliche Nachrichtenagentur RIA. Als eine seiner letzten Amtshandlungen
       [2][hatte Bibilow Mitte Mai ein Dekret über die Durchführung der
       Volksabstimmung am 17. Juli unterzeichnet].
       
       Doch aus Russland waren nur wenige „aufmunternde Worte“ zu hören gewesen.
       Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte im Mai darauf hingewiesen, dass Moskau
       bislang noch keine Schritte unternommen habe, um Südossetien in der
       Russischen Föderation aufzunehmen. Zudem sei Südossetiens Initiative
       rechtlich noch nicht ausgereift.
       
       31 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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