# taz.de -- Schutz von indigenen Völkern: Zahnloses Abkommen?
       
       > Deutschland ist der ILO-Konvention zum Schutz der Rechte indigener Völker
       > beigetreten. Ob sich für die Betroffenen dadurch etwas ändert, ist
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Demo-Teilnehmer in Madrid 2019: Was bringt die Konvention in Ländern ohne indigene Bevölkerung?
       
       BERLIN taz | Am Donnerstag ist in Deutschland die Konvention zum Schutz der
       Rechte indigener Völker der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in
       Kraft getreten. Die Bundesrepublik ist damit das 24. Land weltweit, in der
       das Abkommen – das bereits 1989 verabschiedet wurde – gilt.
       
       Deutschland verpflichtet sich damit unter anderem dazu, sicherzustellen,
       dass indigene Gemeinschaften in Bauprojekte einbezogen werden, die ihre
       Gebiete betreffen. Dafür soll es Konsultations- und Beteiligungsverfahren
       geben.
       
       Die Konventionen der ILO, in der Regierungen sowie Vertreter von
       Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammenarbeiten, legen grundlegende Rechte
       und Prinzipien bei der Arbeit fest. Wenn ein Land eine Konvention
       ratifiziert, muss es sie in nationales Recht umsetzen und regelmäßig
       berichten, wie es sie angewendet hat.
       
       Obwohl hierzulande keine indigenen Gemeinschaften leben, die die Kriterien
       des Abkommens erfüllen, sei die Bundesrepublik auch für den Schutz
       indigener Rechte verantwortlich, betont Deborah Düring, Sprecherin für
       Entwicklungspolitik der Fraktion der Grünen im Bundestag: „Das Handeln
       deutscher Unternehmen, aber auch mit deutschen Geldern finanzierte
       Infrastrukturprojekte und weitere Investitionen haben direkten
       Einfluss für Menschen im Globalen Süden, besonders für indigene
       Gemeinschaften.“
       
       ## Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden
       
       Als Industrienation ist die Bundesrepublik in Menschenrechtsverletzungen an
       indigenen Gruppen verstrickt. Jüngstes Beispiel ist die [1][Einfuhr
       kolumbianischer Steinkohle], die überwiegend auf von Indigenen bewohnten
       Gebieten abgebaut wird. Die nach Deutschland importierte Menge hat sich
       seit März verdreifacht – wegen des Embargos gegen Russland. Angesichts
       dessen fürchten Indigene vor Ort die weitere Zerstörung ihrer
       Lebensgrundlagen und steigende [2][gesundheitliche Belastungen].
       
       Ob sich durch die Ratifizierung Deutschlands nun aber tatsächlich etwas
       ändert, ist offen. „Für den Schutz indigener Völker bleibt der jeweilige
       Staat zuständig, in dem das betroffene Volk lebt“, erklärte eine Sprecherin
       des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
       
       Auch Gesetze, die private Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, sind
       laut Ministerium nicht geplant – und sie seien auch nicht notwendig.
       Deutschland habe sich mit dem vor zwei Jahren – mit zahlreichen Ausnahmen –
       beschlossene Lieferketten-Gesetz ausreichend engagiert.
       
       ## Gefahr, dass es bei symbolischen Gesten bleibt
       
       Der Koordinationskreis ILO-169, ein Bündnis zivilgesellschaftlicher
       Organisationen, das seit Jahren für das Abkommen geworben hatte, sieht
       deshalb die Gefahr, dass die Ratifizierung des Abkommens eine symbolische
       Geste bleibt: „Dem Beitritt müssen nun auch konkrete Taten folgen“,
       erklärte der Koordinationskreis. Die Bundesregierung solle eine
       ressortübergreifende Strategie zum Schutz von Indigenen entwickeln und auch
       umsetzen.
       
       Möglichkeiten, im Sinne des Abkommens zu handeln, gäbe es nach Einschätzung
       des Bündnisses einige. Eine davon wäre der Rückzug deutscher
       Staatsunternehmen aus Projekten, in denen die Rechte indigener Völker
       verletzt werden.
       
       ## Beteiligung der Deutschen Bahn an umstrittenem Projekt
       
       Unter anderem ist die Deutsche Bahn in Mexiko am Bau des Megaprojekts
       [3][„Tren Maya“] beteiligt. Es soll den vor allem von indigenen
       Gemeinschaften bewohnten Süden des Landes erschließen – und nicht nur
       Massentourismus ermöglichen: Entlang der Strecke sind auch
       Industrieparks geplant. Gegner:innen des Vorhabens fürchten
       Vertreibung und Zerstörung ihrer traditionellen Lebensgrundlagen.
       
       „Die Rechte der Indigenen wurden ganz eindeutig nicht beachtet“, beklagt
       Viktor, Aktivist bei der [4][Arbeitsgemeinschaft Recherche, die von
       Deutschland aus den Widerstand gegen das Projekt unterstützt]. Die von der
       mexikanischen Regierung durchgeführten Konsultationen mit den betroffenen
       Gemeinschaften hätten nicht die Anforderungen der ILO-Konvention erfüllt.
       Ein Rückzug der Deutschen Bahn aus dem Projekt „wäre eine große Anerkennung
       für den Widerstand vor Ort“, hofft Viktor.
       
       Wegen der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeiten für deutsche Unternehmen,
       die im Ausland operieren, bleibt es also eine Frage des politischen
       Willens, ob das Abkommen Wirkung entfaltet.
       
       23 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Umstrittene-Kohle-aus-Kolumbien/!5851664
 (DIR) [2] /Steinkohleabbau-in-Kolumbien/!5718410
 (DIR) [3] /Geplante-Maya-Bahn-durch-Mexiko/!5791061
 (DIR) [4] https://www.ya-basta-netz.org/tren-maya-made-in-germany/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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