# taz.de -- EU-Kandidatenstatus für die Ukraine: Voreilige Symbolpolitik
       
       > Der EU-Kandidatenstatus für die Ukraine mag die ukrainischen Soldaten
       > ermutigen. Doch Georgien und den Westbalkan stößt der Schritt vor den
       > Kopf.
       
 (IMG) Bild: Kundgebung für die Ukraine vor dem EU-Gipfel in Brüssel, 23. Juni
       
       Der [1][Krieg] ist der Vater aller Dinge – neuerdings auch in der
       Europäischen Union. Noch im März, beim [2][EU-Sondergipfel in Versailles],
       stritten Gastgeber Emmanuel Macron, Kanzler Olaf Scholz und die übrigen
       EU-Chefs über die Frage, ob die Ukraine überhaupt eine europäische
       Perspektive habe. Viele waren skeptisch, auch Scholz.
       
       Nur drei Monate später hat der EU-Gipfel alle Bedenken beiseite geschoben
       und die Ukraine zum Beitrittskandidaten erklärt, gemeinsam mit Moldau. Das
       darf man durchaus historisch nennen. Noch nie wurde ein Land so schnell in
       die EU eingeladen, noch nie gab es den begehrten Status mitten im Krieg.
       
       Doch historisch heißt nicht unbedingt gut. Die Eilentscheidung stößt nicht
       nur [3][Georgien] vor den Kopf, das weiter auf die Eintrittskarte warten
       muss. Sie ist auch ein Affront für den Westbalkan, der seit Jahren
       hingehalten wird. Der „geopolitische Gipfel“ schafft neue Probleme, eine
       Strategie ist nicht erkennbar.
       
       Das gilt leider auch für die Ukraine. Gewiß, für die Kampfmoral ist das
       Signal aus Brüssel gut. Präsident Wolodimir Selenski bekommt europäische
       Rückendeckung just in dem Moment, da der Krieg im Donbass verloren zu gehen
       droht. Außerdem erhält das Land eine Perspektive, an der es sich
       orientieren kann.
       
       ## Die EU muss mitentscheiden
       
       Doch die entscheidenden Fragen wurden verdrängt. Welche Ziele verfolgen die
       Europäer im Krieg? Wie lässt sich verhindern, dass die EU in den Konflikt
       hineingezogen wird? Und wie soll der Kampf mit Kremlchef Wladimir Putin
       überhaupt beendet werden?
       
       Antworten suchte man bei diesem Gipfel vergeblich. Alle kritischen Fragen
       wurden unter den Teppich gekehrt. Auch die nächsten Schritte im
       Beitrittsprozess blieben im Dunkeln. Die Symbolik war wichtiger als die
       Realpolitik. Doch so kann die EU nicht weitermachen. Wir müssen uns in der
       Ukraine einmischen – denn nun gehört sie dazu.
       
       Wie das gehen kann, zeigt der Westbalkan. Dort gibt die EU nicht nur die
       Reformen vor – Demokratie, Rechtsstaat, Minderheitenrechte und Kampf gegen
       Korruption. Sie versucht auch, zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern
       [4][Serbien und Kosovo] zu vermitteln. In der Ukraine und Russland wird das
       zunächst nicht möglich sein.
       
       Doch wir können Selenski auch nicht mehr allein entscheiden lassen. Die
       Ausrede, nur die Ukraine könne sagen, wie es weiter geht, verfängt nicht
       mehr. Das Land strebt in die EU, also muss die EU auch den Weg weisen.
       
       24 Jun 2022
       
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 (DIR) Eric Bonse
       
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