# taz.de -- Handel mit gebrauchten Geräten: Aus alt wird wie neu
       
       > Ob Spielkonsole oder Handy – überall fehlen Mikrochips. Der Markt für
       > gebrauchte Smartphones wächst. Doch auch diese Branche braucht Nachschub.
       
       FALKENSEE/BERLIN taz | Leise surrend schuftet der kleine, blaue Roboter.
       Ununterbrochen und gleichmäßig streckt er seine Greifarme aus und hantiert
       mit den Smartphones. Sollte der nicht einen Namen haben, wie er dort so
       eifrig arbeitet? Mit dieser Idee kann Daniel Freudenberger nicht wirklich
       etwas anfangen. „Der Hersteller heißt Boschen & Oetting“, sagt der
       Technikchef der Firma Rebuy, „ganz normaler Anlagenbau, die arbeiten auch
       für die Autoindustrie“. Nix niedlich also, sondern Ingenieurskunst.
       
       Der Roboter steht in einer lichtdurchfluteten Fabriketage in Seegefeld im
       Ort Falkensee, westlicher Berliner Speckgürtel, und prüft für die Firma
       Rebuy gebrauchte Smartphones, minutenschnell. In der Fabriketage haben die
       ausgemusterten Telefone schon einiges hinter sich gebracht: Sie sind aus
       den Kartons gefischt worden, in denen sie von ihren Vorbesitzer:innen
       nach Seegefeld geschickt worden sind, dann wurden sie mit einem Rechner
       verbunden, der alle auf ihnen gespeicherten Daten löscht, ihre
       Betriebssysteme auf den Fabrikzustand zurücksetzt und Seriennummer,
       Produkttype und so weiter abfragt. Zudem haben sie ein bisschen Energie
       bekommen, etwa 50 Prozent Ladung brauchen die Geräte für das, was noch
       kommt.
       
       Aber erst mal wird geputzt, und zwar von Menschen. „Putzen können Roboter
       nicht“, sagt Freudenberger. Also sitzen an zehn Schreibtischen mehrheitlich
       junge Männer und Frauen, vor sich Zahnbürsten und -stocher, Bürstchen für
       die Zahnzwischenräume, Läppchen und Pinsel. Sie entstauben die
       Mobiltelefone bis in die letzte Ritze, 65 bis 75 Stück schafft eine
       Mitarbeiterin am Tag.
       
       Rebuy ist ein wachsendes Unternehmen, das mit gebrauchten Elektronikgeräten
       wie Playstations, Bildschirmen, Smartphones, aber auch Büchern handelt.
       Westlich von Berlin geht es um Smartphones. Wer sein altes Gerät verkaufen
       will, meldet sich auf der Webseite von Rebuy an, schickt sein Smartphone
       per Post nach Seegefeld und erhält eine Summe, die sich nach dem Zustand
       des Gerätes richtet. Rebuy bereitet das Gerät wieder auf und verkauft es
       weiter.
       
       Rund 12.000 Smartphones verarbeitet das Unternehmen im Monat hier, in
       Handarbeit, aber auch mit industrieller Technik wie dem Roboter: blau,
       klein, kompakt, emsig – und irgendwie putzig. Damit er mit dem Handy
       kommunizieren kann, bekommt es eine spezielle Software. Dann greift der
       Roboter sich das Smartphone und legt es in eine Maschine, die aussieht wie
       ein kleiner Kühlschrank. Sie überprüft jetzt anhand von 260 Messpunkten
       nach etwa 70 Kriterien den Zustand und Wert des Geräts. Funktionieren
       Bluetooth, Mikros und Kamera? Sind die Stecker o. k., der Touchscreen des
       Displays, zeigt es alle Farben? Drei bis vier Minuten dauert dieser
       Prozess, ein Mensch würde dafür drei- bis viermal so lange benötigen.
       
       Die Nachfrage nach gebrauchten Geräten ist riesig. Probleme gibt es eher
       beim Angebot. „Die Schublade ist der Feind“, sagt Philip Gattner, seit rund
       drei Jahren Geschäftsführer von Rebuy.
       
       Dem Analysedienst Counterpoint zufolge ist der Markt für gebrauchte
       Smartphones 2020 weltweit um 4 Prozent gewachsen, im vergangenen Jahr
       bereits um 15 Prozent. Das Wachstum sei dabei in allen Weltregionen
       feststellbar gewesen, aber unterschiedlich stark und von unterschiedlichen
       Ausgangsniveaus: Den größten Zuwachs vermeldeten Lateinamerika und Indien.
       Europa liegt mit einem Plus von 10 Prozent im Mittelfeld.
       
       Die Gründe dafür sind vielfältig und je nach Weltregion unterschiedlich
       stark gewichtet. So nennt Counterpoint unter anderem den Faktor
       Nachhaltigkeit, der vor allem für Verbraucher:innen in Europa, den USA
       und Japan wichtiger werde. Auch verstärkte Marketingaktivitäten von
       Refurbishing-Unternehmen würden dazu beitragen, den Markt zu pushen.
       Allerdings sind solche Faktoren eher langfristig wirksam. Ein Großteil des
       Zuwachses dürfte daher auf das Konto von unterbrochenen Lieferketten gehen
       und sich dem Phänomen verdanken, das seit Beginn der Pandemie auch
       Konsument:innen zu spüren bekommen haben: den Chipmangel.
       
       Jan-Peter Kleinhans leitet seit 2020 den Themenbereich Technologie und
       Geopolitik bei der Stiftung Neue Verantwortung. Im vergangenen Jahr hat er
       gemeinsam mit seiner Kollegin Julia Hess ein umfangreiches Papier zum
       Chipmangel herausgebracht. Er schreibt Stellungnahmen und Policy Briefings
       zu dem Thema, und wenn er spricht, kann er eine gute Ahnung davon
       vermitteln, was für eine komplexe Welt in der Chipherstellung über die
       Jahrzehnte entstanden ist. Neue Verantwortung.
       
       Kleinhans räumt dann auch gleich einmal auf mit dem größten Vorurteil: „Es
       gibt gar nicht den einen Chipmangel. Was es gibt, das sind unterschiedliche
       Knappheiten in unterschiedlichen Produktionsschritten.“ Denn die Knappheit
       der kleinen Teile begann nicht erst damit, dass in Europa die Playstation 5
       über Monate praktisch nicht zu bekommen war. Nicht erst damit, dass fertig
       zusammengeschraubte Autos auf riesigen Flächen herumstanden, weil
       entscheidende Chips für den Einbau fehlten. Nicht damit, dass sich in China
       ein zuvor unbekanntes Virus von Mensch zu Mensch verbreitete, das schwere
       Lungenentzündungen auslösen kann.
       
       Nein, die ersten Weichen für die spätere Knappheit wurden laut Kleinhans
       schon früher gestellt. Und zwar damit, dass die US-Regierung Mitte 2019
       Sanktionen gegen Huawei verhängte. Das chinesische Unternehmen ist als
       Smartphone-Hersteller bekannt, produziert aber unter anderem auch Chips.
       Laut Kleinhans hatten diese Sanktionen zur Folge, dass chinesische Firmen
       begannen, Chips zu horten. Sie wollten vorbereitet sein, falls die
       US-Regierung sie ebenfalls auf die Sanktionsliste setzen würde.
       
       „Dazu kam: Die vorhandenen Fertigungskapazitäten waren schon vor der
       Pandemie ziemlich gut ausgelastet“, erklärt Kleinhans. Die Auslastung der
       Fabriken habe bereits 2019 bei über 80 Prozent gelegen – was als
       Vollauslastung gelte. Die Auslastung hat wirtschaftliche Gründe: je höher,
       desto billiger lässt sich produzieren. „Die Unternehmen bauen erst dann
       wieder eine neue Fabrik, wenn sie wissen, dass die Abnehmer schon Schlange
       stehen“, sagt Kleinhans. Und dann das: Pandemie, steigende Nachfrage nach
       Unterhaltungselektronik, steigende Nachfrage nach Computern zum Ausstatten
       von Heimarbeitsplätzen.
       
       Probleme in der Lieferkette gibt es auch im Sektor der gebrauchten Geräte.
       „Wir haben es den Kunden bisher noch nicht einfach genug gemacht, ihre
       Handys aus der Schublade zu holen“, sagt Gattner von Rebuy. Sein
       Unternehmen habe wenig Mühe, Kunden vom Kauf gebrauchter Elektronik zu
       überzeugen. Sie sei günstiger, Probleme mit der Qualität gebe es eigentlich
       nicht. „Wir geben unseren Kunden inzwischen drei Jahre Garantie auf
       gekaufte Produkte“, sagt Gattner, „wir haben stark in Qualität investiert
       und haben dabei, siehe Roboteranlage in Seegefeld, auch Anleihen in
       klassischer Industriefertigung gemacht.“
       
       Natürlich würden Kunden bei komplexen Produkten wie Elektronik nicht sehen,
       ob gepfuscht worden sei. „Aber da besteht kein Risiko, wir geben längere
       Garantien als die Hersteller neuer Produkte.“ Überzeugungsarbeit gelte es
       bei den Besitzer:innen der Geräte zu leisten, alte Smartphones oder
       Laptops weiterzuverkaufen.
       
       Als eine Konkurrenz zum Handel, wo seit dem 1. Juli Unternehmen stärker als
       bislang in die Pflicht genommen werden, alte Elektrogeräte zurückzunehmen,
       sieht Gattner sein Unternehmen nicht. Schließlich gehe es in dem Fall um
       alte, kaputte Geräte, um Elektroschrott.
       
       Während bei Rebuy in erster Linie Handys in gutem Zustand eingeschickt
       werden, kauft das Recommerce-Unternehmen zugleich defekte Produkte an und
       repariert diese in eigenen Reparaturzentren. „Die Reparatur ist jedoch zum
       Teil sehr aufwendig“, sagt Gattner. „Darüber hinaus ist die Verfügbarkeit
       von Ersatzteilen nicht immer ganz einfach.“
       
       ## Recht auf Reparierbarkeit
       
       Gattners Hoffnungen liegen auf dem Recht auf Reparierbarkeit. Eine
       Gesetzgebungsinitiative der EU-Kommission dazu soll noch im Laufe des
       Jahres vorgestellt werden. „Wenn die Politik Rahmenbedingungen für eine
       leichtere Reparierbarkeit schafft, wird es auch wahrscheinlicher, dass
       Produkte an uns verkauft werden können“, sagt Gattner. Er sieht sein
       Unternehmen als Teil der Lösung verschiedener gesellschaftlicher Probleme.
       
       Je länger ein Produkt genutzt wird, desto geringer wird in der Regel sein
       ökologischer Fußabdruck. Die „erneute Nutzung“ – reuse – steht darum weit
       oben in der Abfallhierarchie und ist nachhaltiger als Recycling. Allerdings
       bewegen sich auch die Smartphones von Rebuy nicht unbedingt in einem
       Kreislauf: „Wir sehen etwa 10 Prozent der Geräte wieder, die wir einmal
       verkauft haben“, sagt Technikchef und Mitgründer Freudenberger. In der
       Regel wird ein Smartphone also einmal bei Rebuy weiterverkauft und landet
       dann – wo auch immer.
       
       Expert:innen der Kreislaufwirtschaft verweisen stets darauf, dass das an
       Metallrohstoffen arme Europa die größte Rohstoffquelle nicht leichtfertig
       aus der Hand geben oder ungenutzt lassen sollte: gebrauchte Produkte, die
       anthropogenen Lagerstätten. Das Umweltbundesamt betont in einer
       Stellungnahme über die Recyclingpotenziale für Permanentmagneten, ein
       Großteil der ausgemusterten Elektronikprodukte verbleibe nicht im Inland
       und werde deshalb der hiesigen Kreislaufwirtschaft entzogen. Insofern
       werden auch sie Teil der globalen Lieferketten, die sich über den Erdball
       verteilen.
       
       Bei den Chip-Lieferketten ist eine deutliche Entspannung in Sicht. Während
       einige der Engpässe bereits wieder behoben sind, etwa bei Speicherchips,
       kommen allerdings andere dazu: „Der russische Angriffskrieg verschärft die
       Situation wieder“, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue
       Verantwortung. Denn die Ukraine und Russland sind wichtige Hersteller für
       Edelgase wie Neon, Krypton oder Xenon. Beispiel Neon: Die Hersteller
       brauchen das Gas, damit Laser feinste Strukturen auf die Chip-Oberfläche
       brennen können. Normalerweise bereitet die Ukraine laut Kleinhans 30 bis 40
       Prozent des Neongasbedarfs für die Halbleiterindustrie auf. Was passiert,
       wenn die Vorräte aufgebraucht sind? Wird China die Gelegenheit nutzen,
       stärker auf den Weltmarkt zu gehen? Werden Fabriken einfach stillstehen,
       weil ihnen Neon fehlt?
       
       Fabriken in Europa zu bauen, wird die Situation kaum lösen, denn: Chip ist
       nicht gleich Chip. „Der Chip, den ein Smartphone braucht, ist ein anderer
       als der, der die Aufladung des Akkus bei einem Tesla steuert“, erklärt
       Kleinhans. Zu viele verschiedene Modelle gebe es, je nach Einsatzzweck. Und
       bislang habe es noch kein Land der Welt geschafft, die gesamte
       Fertigungskette von allen Vorprodukten über sämtliche Produktionsschritte
       hinweg bis zu allen Chiptypen abzudecken.
       
       ## Engpässe werden bleiben
       
       Lieferengpässe werden also weiterhin ein Thema bleiben. Bei dem
       Gebrauchtwarenhändler Rebuy fürchtet man sich ein wenig vor dem
       Weihnachtsgeschäft. Jetzt, im Sommer, sieht es im Lager des Unternehmens
       noch übersichtlich aus. „Vor Weihnachten wird es hier voll“, sagt
       Freudenberger, „wir haben Tage, da handeln wir als Unternehmen mit mehr als
       100.000 Medien“. Die höchste Nachfrage erzielen ausgerechnet Geräte, die
       nicht unbedingt für ihre Nachhaltigkeit bekannt sind: iPhones von Apple.
       
       Einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom vom Jahresanfang zufolge kann sich
       jede:r zweite Befragte vorstellen, ein aufbereitetes Gebrauchtgerät zu
       kaufen. Allerdings: Nur 13 Prozent hätten das tatsächlich schon einmal
       getan. Ganz vorne war hier die Gruppe der 16- bis 29-Jährigen, von denen
       jede:r Fünfte schon mal ein gebrauchtes und wiederaufbereitetes Gerät
       erworben hat.
       
       Die Marktforscher:innen des US-Dienstes IDC rechnen jedenfalls damit,
       dass der Gebrauchtgerätemarkt bei Smartphones weiter wächst. Sie
       prognostizieren, dass der Absatz von gebrauchten sowie gebrauchten und
       wiederaufbereiteten Smartphones im Jahr 2024 rund 350 Millionen Stück
       erreichen wird, mit einer jährlichen Wachstumsrate von im Schnitt 11,2
       Prozent zwischen 2019 und 2024.
       
       Dabei ist der Weg, ein Gerät zu verkaufen und sich dafür ein neues
       zuzulegen, aus Nachhaltigkeitssicht nur der zweitbeste Weg. Der beste wäre:
       selbst reparieren oder aufbessern. Ein frischer Akku, ein größerer
       Arbeitsspeicher – und schon kann es wirken, als hätte man ein neues Gerät.
       Aber: Bei Smartphones mit ihrer extrem filigranen Bauart und dem bei vielen
       Herstellern nicht gerade reparaturfreundlichen Design ist das eine
       ziemliche Herausforderung. Spezialschrauben, für die kein handelsüblicher
       Schraubendreher passt, verklebte oder verschweißte Komponenten und die
       extreme Dichte von viel Technik auf wenig Raum machen das Basteln zur
       Fleißarbeit.
       
       Eine Umfrage von Rebuy aus dem Juni ergab, dass jede:r Zweite die
       Reparatur eines Smartphones für sinnvoll hält. Bei größeren und – teilweise
       – teureren Geräten wie Waschmaschinen oder Küchengroßgeräten sind es
       immerhin bis zu drei Viertel der Befragten. Die häufigsten Argumente gegen
       eine Reparatur: Gerät zu alt, Reparatur zu teuer. Wobei teuer natürlich
       immer im Verhältnis zu einer Neuanschaffung steht.
       
       Ein Reparierbarkeitsindex steht bei der EU schon eine Weile auf der
       To-do-Liste. Auch die Ampelkoalition schreibt in ihrem Koalitionsvertrag:
       „Die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes machen wir zum
       erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft.“ Vorgaben gibt es aber bislang
       nicht. Und selbst dann würde ein Reparierbarkeitsindex nur indirekt wirken:
       Wenn nämlich Hersteller sehen, dass Kund:innen die besser reparierbaren
       Produkte bevorzugen.
       
       Zum Reparieren führen viele Wege. Werkstätten, Youtube-Videos oder die
       Zerlege-Anleitungen des Ersatzteilvertreibers iFixit. Für alle, die sich
       das Schrauben noch nicht selbstständig zutrauen, aber sich gerne daran
       versuchen würden, gibt es Repair Cafés.
       
       ## Reparieren ist noch immer am besten
       
       Ein Freitagabend im Juni im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Alle zwei
       Wochen treffen sich hier im Café Grenzenlos, einem Stadtteiltreff,
       ehrenamtliche Tüftler:innen, um dem Reparieren von Elektronik- und anderen
       Geräten ein bisschen den Schrecken zu nehmen. Es herrscht Café-Atmosphäre:
       Auf dem Tisch stehen Knabbereien, wer möchte, kann sich Kaffee und Kuchen
       bestellen. Aber die sperrigen Werkzeugkisten in einer Ecke zeugen davon,
       dass hier mehr als beisammengesessen und geplaudert wird.
       
       Helmut, Jahrgang 1942, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen
       will, ist einer der Ehrenamtlichen. Schon als Kind bastelte er an Radios
       herum. Er machte eine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker und
       arbeitete sein Berufsleben lang in der Branche. Er strahlt, wenn er davon
       spricht, wie sich die Leute früher gefreut hätten, wenn er ihre kaputten
       Fernsehgeräte wieder zum Laufen brachte. „Man war ein besonderer Mensch,
       weil die Familien glücklich waren, wenn der Fernseher wieder
       funktionierte“, sagt Helmut. Seit sieben Jahren bietet er seine Hilfe
       regelmäßig in unterschiedlichen Repair Cafés in Berlin an. Auf 200
       Reparierstunden kommt er im Jahr, hat er mal nachgerechnet.
       
       Ein junger Vater kommt mit seinen beiden Kindern vorbei, sie wollen ein
       defektes ferngesteuertes Auto wieder auf die Straße bringen. Das Problem
       ist schnell identifiziert: Die Akkus müssen ersetzt werden. Später bringt
       die 26-jährige Laborantin Linda Rusch ihr Radio mit ins Café Grenzenlos.
       Ein Blick ins Innere des quaderförmigen Geräts zeigt: Ein Zahnrad dreht
       sich nicht, beim Abspielen entsteht Bandsalat. Dieses Mal finden die
       Bastler:innen den Grund für den Defekt nicht, Rusch muss unverrichteter
       Dinge wieder nach Hause gehen. Ansonsten bleibt es an dem Tag ruhig im
       Repair Café.
       
       Wie sieht es mit neueren technischen Geräten aus? „Dass viele mit ihrem
       Smartphone zu uns kommen, wäre übertrieben“, sagt Helmut. „Aber es werden
       immer mehr.“ Trotzdem: Der Trend gehe eher weg vom Reparieren. „Der
       Konsument wird dazu gezwungen, neue Smartphones zu kaufen“, sagt er.
       Produkte würden aufgrund der Weiterentwicklung von Hard- und Software oder
       gar aufgrund von bewusst vom Hersteller im Produktdesign vorgesehenem
       Verschleiß veralten – geplante Obsoleszenz. Selbst für ihn als Experten sei
       es schwierig, mit der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen
       Schritt zu halten. Hinzu kommt, dass die meisten Hersteller ihre Geräte
       nach wie vor nur für überschaubare Zeiträume mit Sicherheits-Updates
       versorgen – ein Risiko für Nutzer:innen.
       
       Lieferketten-Experte Kleinhans sieht noch einen weiteren Trend: Die
       Leistungssprünge bei Smartphones würden immer geringer. Das heißt: Von
       einer Smartphone-Generation zur nächsten werden Teile wie Prozessor,
       Arbeitsspeicher oder Kamera nicht mehr so viel besser wie noch vor einigen
       Jahren. Für Nutzer:innen wird es damit zumindest in Bezug auf die
       Hardware immer unwichtiger, ob sie die letzte oder die vorletzte Generation
       verwenden. Ein Recht auf Reparierbarkeit würde diesen Effekt noch
       verstärken – hin zu einer längeren Nutzungsdauer.
       
       29 Jul 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
 (DIR) Heike Holdinghausen
 (DIR) Michael Schlegel
       
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